Wenn Alte mehr arbeiten, geht‘s besser

Mit der Agenda 2010 sei Deutschland auf dem richtigen Weg, meint die OECD und hält weitere Reformen für nötig. Es gelte „Beschäftigungshemmnisse“ für ältere Menschen und Zweitverdiener zu beseitigen – und die Haushalte zu konsolidieren

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Es ist ja nicht so, dass nur Deutschland Probleme hätte. Und deshalb verfasst der Club der Industrieländer OECD nur alle 18 Monate einen Deutschland-Bericht. In diesem nehmen die Experten aller 30 Mitgliedsstaaten die hiesigen Reformen unter die Lupe und vergleichen sie mit ihren eigenen Erfahrungen. Das führt zu interessanten Einsichten.

So ist aus Sicht der OECD die deutsche Tradition der Frühverrentung ein Kuriosum. Ein luxuriöses zumal, weil Deutschland zu den OECD-Staaten gehöre, in denen die Bevölkerung am stärksten überaltern werde. „Die Ansicht, dass man Ältere aus dem Arbeitsmarkt herauslockt, da für sie ohnehin kaum Arbeitsplätze vorhanden seien“, erklärt OECD-Experte Eckhard Wurzel, „wird nicht durch die Erfahrungen der OECD gestützt.“ Im Gegenteil: Anderswo würden alte Menschen gern eingestellt.

Auch nähmen die Älteren den jungen Arbeitssuchenden kaum Jobs weg. Der Grund: Die Alten aus der Arbeitswelt herauszulocken kostet Steuermittel und belastet die Lohnnebenkosten, was wiederum das Wachstum beschränkt – und so Jobs kostet.

Deutschlands „zentrales Problem“ sei, so das Urteil der OECD, dass es seit mehr als zehn Jahren beim Pro-Kopf-Wachstum deutlich zurückfalle. Das hänge damit zusammen, dass in Deutschland die Summe aller Arbeitsstunden das geringste Niveau seit Anfang der Neunziger erreicht habe. Zwar steige die deutsche Produktivität überdurchschnittlich, aber nicht schnell genug. Die Gesellschaft müsse mehr arbeiten: Und dazu brauche man eben auch die Alten.

Um die in naher Zukunft überalterte Gesellschaft finanzieren zu können, müsse Deutschland baldmöglichst Haushaltsüberschüsse erwirtschaften. Die Produktivität müsse noch schneller wachsen – und „Beschäftigungsbarrieren“ verschwinden.

Um mehr alte Menschen in Arbeit zu bringen, empfiehlt die OECD, die staatlich subventionierte Altersteilzeit „zu überprüfen“, älteren Arbeitnehmern nicht wie geplant länger Arbeitslosengeld zu zahlen und die Versorgungssysteme von öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft zu harmonisieren. Während die Pensionszahlungen sich an der letzten Beschäftigung orientierten, so Wurzel, hänge die Rente von der Lebensarbeitsleistung ab. Deshalb sei es für viele öffentlich Bedienstete attraktiver, in Frührente zu gehen, als in die Privatwirtschaft zu wechseln.

Ähnliche negative Anreize biete der Staat verheirateten Zweitverdienern (zumeist Frauen). Weil sie kostenlos in der Krankenkasse mitversichert sind und das Ehegattensplitting Einverdienerhaushalte begünstige, sei es unattraktiv, einen Job zu suchen. Das Splitting solle deshalb abgeschafft werden, so Wurzel.

Auf der anderen Seite sei es wichtig, bürokratische Hindernisse für Unternehmensgründer abzubauen, Risikokapital zu fördern, den Kündigungsschutz für kleine Firmen weiter zu lockern und die Unternehmenssteuern zu vereinfachen. Dann würden wieder mehr Jobs entstehen.