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Archiv-Artikel

Im Namen des Rose

Ver.di und DGB bereiten Klage gegen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser vor dem Hamburger Verfassungsgericht vor. Bereits im September könnte die Privatisierung der Kliniken von der Bürgerschaft abgesegnet werden.

„Bleibt der Entscheid unverbindlich, führt das die Volksgesetzgebung ad absurdum“

Von Marco Carini

Ver.di-Chef Wolfgang Rose sitzt in den Startlöchern: Sowie die Bürgerschaft einem mehrheitlichen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) zustimmt, will der Hamburger Gewerkschaftschef dagegen Verfassungsklage erheben. Rose wird dabei von DGB-Chef Erhard Pumm unterstützt und durch den Rechtsanwalt Jürgen Kühling vertreten, der bis vor drei Jahren selbst dem Bundesverfassungsgericht angehörte.

Der erfahrene Verfassungsrechtler glaubt dabei „gute Argumente“ zu haben, den LBK-Verkauf vor dem Hamburger Verfassungsgericht noch zu verhindern. Zwar hatte genau dieses Gericht im vergangenen Dezember entschieden, ein Volksentscheid sei mit einem – rechtlich folgenlosen – Ersuchen der Bürgerschaft an den Senat gleichzusetzen und deshalb für diesen nicht verbindlich.

Ein Urteil, das für Kühling „einer Überprüfung und Korrektur“ bedarf: Sollte ein Volksentscheids-Votum nicht mehr sein als ein unverbindliches Ersuchen an ein politisches Entscheidungsgremium, wäre das gesamte Instrument der Volksgesetzgebung ad absurdum geführt. Auch wenn die LBK-Volkabstimmung rein formal nur einen Bürgerschaftsbeschluss ersetze, sollen die Wahlberechtigten in einem Volksentscheid laut Hamburger Verfassung eindeutig „über einen Gegenstand der politischen Willensbildung entscheiden“. Kühling: „Gegenstand der Volksabstimmung war allein, ob der LBK mehrheitlich privatisiert werden darf – und hier haben die Bürger mit großer Mehrheit eine eindeutige Sachentscheidung getroffen.“

Dass das Hamburger Verfassungsgericht vor dem Volksentscheid vom vergangenen Februar einer solchen Rechtsbewertung in einem Eilverfahren nicht folgte, bremst die Euphorie der Privatisierungsgegner indes spürbar. Während Senatssprecher Christian Schnee nicht müde wird zu betonen, die Lage sei „juristisch eindeutig“ und Volkes Votum nicht bindend, hält es selbst der grüne Verfassungsexperte Martin Schmidt „für äußerst schwierig, einen Volksentscheid über das Verfassungsgericht durchzusetzen“.

Doch Rose, der sich als „Anwalt der 600.000 Hamburgerinnen und Hamburger“ versteht, die gegen den LBK-Verkauf stimmten, bleibt gar keine andere Wahl als der Gang vor Gericht, nachdem der Senat Volkes Stimme mit juristischen Spitzfindigkeiten verstummen ließ.

Bis zum 20. August will der Senat das Privatisierungspaket geschnürt, die LBK-Übernahme durch den privaten Krankenhaus-Konzern Asklepios zur Unterschriftsreife getrieben haben. Bereits am 25. August könnte der Senatsbeschluss in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht und dort nach mehrfacher „Lesung“ am 8. September entschieden werden. Bis dahin soll die Klageschrift abgabefertig sein. Eine juristische Klärung werde aber, so Kühlings Einschätzung, „sechs bis zwölf Monate“ dauern.

Damit in dieser Zeit keine Fakten geschaffen werden, bereiten die Privatisierungsgegner auch einen Eilantrag vor, der es dem Senat untersagen soll, den LBK ohne gerichtliche Zustimmung zu verkaufen. Dann muss das Gericht entscheiden, ob unter der Aussage, die Privatisierung sei verfassungswidrig, „Im Namen des Volkes“ stehen wird – oder nur: Im Namen des Rose.