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Archiv-Artikel

US-Militär gewährt kurze Blicke in Guantánamo-Tribunale

Journalisten dürfen auf dem US-Stützpunkt Guantánamo erstmals Haftüberprüfungsverfahren gefangener Terrorverdächtiger beiwohnen

PHILADELPHIA taz ■ Die Haftüberprüfungen der fast 600 Gefangenen auf dem US-Stützpunkt Guantánamo finden in einem fensterlosen Lkw-Anhänger statt. Drei mal sechs Meter ist der Raum groß, in den am Donnerstag zwei Afghanen geführt wurden. An den Händen tragen sie Fesseln, die Füße sind am Boden angekettet. Erstmals kann über die Prüfungstribunale berichtet werden: Die US-Streitkräfte haben einigen Journalisten Zugang gewährt. Drei Medienvertreter sitzen in dem Raum, weitere in einem Nebenraum.

Die Journalisten dürfen weder die Namen der Häftlinge nennen noch sind Fotos von den Gefangenen erlaubt, die für das US-Militär mutmaßliche Al-Qaida- oder Taliban-Kämpfer sind. Die Zeit des Aufenthalts der Journalisten ist begrenzt: Eine Stunde waren es am Donnerstag, gestern gerade mal 30 Minuten. Dann setzte das Tribunal seine Arbeit unbeobachtet fort.

Vor einer Woche fand die erste der internen Haftprüfungen statt. Ende Juni hatte der Oberste US-Gerichtshof entschieden, dass Guantánamo-Häftlinge entgegen dem Willen der Regierung Zugang zu US-Gerichten erhalten müssen, um ihre Inhaftierung anfechten zu können. Die Regierung kündigte darauf an, in einem ersten Schritt selbst Überprüfungen vor Militärausschüssen vorzunehmen.

Menschenrechtler jedoch kritisierten die Tribunale auch gestern wieder als „Augenwischerei“. Die Häftlinge hätten dabei keinen Rechtsbeistand. Seit Januar 2002 sind 585 Menschen unter Terrorverdacht auf dem US-Stützpunkt in Kuba interniert. Sie haben den Status von „feindlichen Kämpfern“, der ihnen weniger Rechte zuspricht als Kriegsgefangenen.

Die beiden am Donnerstag angehörten Afghanen sagten aus, dass sie von den Taliban zum Kampf gegen Truppen des zur Nordallianz gehörenden Warlords Abdul Raschid Dostum eingeteilt worden waren. Die beiden seien mit den Taliban-Kämpfern auch mitgezogen. Allerdings hätten sie nie gegen US-Truppen gekämpft. Der 31-jährige Afghane, der seit zweieinhalb Jahren in Guantánamo einsitzt, sagte über seinen paschtunischen Dolmetscher, dass er zwar eine Kalaschnikow der Taliban besessen, mit ihr aber nie gekämpft habe. „Die Taliban haben mir die Kalaschnikow aufgezwungen, das haben sie mit jedem gemacht“, sagte er. Die Frage, ob er je mit einem Taliban-Führer im Auto gefahren sei, bejahte er.

In der zweiten Anhörung schilderte ein 49-jähriger Afghane, wie die Taliban ihn gezwungen hätten, nach Kundus zu gehen. Dort sei er von den Taliban in einem eingezäunten Gelände festgehalten und von einem bewaffneten Posten bewacht worden. „Wir konnten nicht raus“, sagte der Mann. „Die Männer wurden dann einzeln in den Kampf geschickt.“ Niemand habe ihn jemals gefragt.

Nach der Gefangennahme seien die potenziellen Kämpfer dann von der Nordallianz in Metallcontainer gesperrt und abtransportiert worden, erzählte der Mann. „Einige der Männer starben in dem Container, weil es zu heiß war.“ Der 49-Jährige betonte mehrmals, dass er zu allem von den Taliban gezwungen worden sei. Er könne drei Zeugen benennen, die für ihn aussagen würden. Der Vorsitzende des Tribunals entgegnete, dass sei nicht relevant. THILO KNOTT