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Archiv-Artikel

„Die Missachtung des Kodex ist ein Skandal“

DGB-Vorstand Dietmar Hexel fordert ein Gesetz zur Offenlegung von Managergehältern – aber nicht zur Höhe

taz: Herr Hexel, die Republik schimpft auf die Manager und ihre hohen Gehälter. Die Gewerkschaften schimpfen mit. Dabei sitzen die Arbeitnehmervertreter auch in den entsprechenden Aufsichtsratsausschüssen. Dietmar Hexel: Die Möglichkeit dazu mussten wir uns aber auch erst vor dem Bundesverfassungsgericht erkämpfen. Und die meisten Ausschüsse sind noch immer nicht paritätisch zusammengesetzt. Der Einfluss der Arbeitnehmervertreter ist also in diesem Punkt durchaus beschränkt. Wir wollen das Thema Vergütungssysteme aber in der nächsten Zeit in den Aufsichtsräten diskutieren. Im Übrigen schimpfen wir nicht generell über die Höhe der Gehälter. Wir kritisieren die Ausreißer bei denen, die unangemessen viel verdienen. Und die Tatsache, dass die meisten Manager ihre Gehälter nicht offen legen.

Das müssen sie nicht unbedingt. Der so genannte Cromme-Kodex für eine gute Unternehmensführung ist eine Empfehlung und nicht zwingend.

Es ist ein Skandal, dass der Kodex bei Unternehmen wie Allianz und BASF nicht umgesetzt wird, obwohl beide Unternehmen in der Kommission den Kodex mit beschlossen haben. Zudem sitzen eine Reihe von Mitgliedern der Cromme-Kommission in Aufsichtsräten, die in ihren Unternehmen nicht für die Veröffentlichung der Managergehälter sorgen. In diesen Firmen werden wir mit den Arbeitnehmern sprechen und einen entsprechenden Antrag zur Offenlegung des Vergütungssystems stellen.

Wäre ein Gesetz zur Offenlegung nicht besser?

Ja, das ist nötig. Ich bewundere die Geduld von Frau Zypries, dass sie das Gesetz nicht in diesem Jahr verabschieden will, sondern noch eine Hauptversammlungssaison abwartet. Aber das gilt nur für die Frage der Offenlegung. Ein Gesetz zur Höhe der Managementgehälter lehnen wir ab.

Warum? Das würde doch vieles vereinfachen.

Es gibt kein Kriterium, das für alle Unternehmen gleich gelten kann. Im Aktiengesetz gibt es daher die Formulierung der „Angemessenheit“. Und die hängt davon ab, welche Unternehmensziele und Werte in einem Betrieb gelten sollen.

Das hat die Börse schon entschieden: möglichst hoher Aktienkurs und Profit und somit hoher Shareholder-Value.

Vorstand und Aufsichtsrat dürfen nach deutschen Aktienrecht nicht nur einseitig auf die Aktionärsinteressen schauen. Das Unternehmensinteresse soll im Mittelpunkt stehen. Maßgebend sollte sein, das Unternehmen langfristig gesund zu entwickeln. Der Börsenwert darf nur ein Aspekt unter vielen sein.

Wie sähen dann die Kriterien aus, nach denen sich das Gehalt der Vorstände richtet?

Die mittelfristige Entwicklung des Unternehmens mit Blick auf seine Stellung im Markt, die Innovationsfähigkeit, die Produktivität und die Sicherung und Entwicklung der Arbeitsplätze. Diese Ziele müssten auf jeden Fall berücksichtigt werden. Eigenkapitalrendite und Gewinn sollten nicht die entscheidende Rolle spielen. Das sehen die Analysten und Aktienmarktteilnehmer zwar anders. Vorstand und Aufsichtsrat müssen sich dem aber nicht beugen.INTERVIEW: STEFAN KOSCH