: Alte Dame ausrangiert
Die CDU in Selm will ihre Bürgermeisterin in Rente schicken. Doch die tritt nun gegen die eigene Partei an
SELM taz ■ Selm, Herbst 1999. Das 27.000 Einwohner-Städtchen ist eine der letzten roten Enklaven im ansonsten tiefschwarzen Münsterland. Doch dann kommt der böse Bundestrend und die SPD verliert den Rathausschlüssel – an Marie-Lis Coenen, damals 61 Jahre alt, parteilose Kandidatin mit CDU-Unterstützung.
Selm, August 2004. Marie-Lis Coenen ist nicht mehr parteilos, sondern Mitglied der CDU. Wieder steht eine Kommunalwahl an, Frau Coenen, fast 66, könnte aus Altergründen ohnehin nur noch für zwei Jahre kandidieren. „Das wäre doch unverantwortlich, eine Kandidatin nur für 22 Monate. Da geht der nächste Wahlkampf ja gleich nach der Wahl los“, sagt der CDU-Ortsvorsitzende Hubert Zumbusch. Deshalb hat die Union einen neuen Kandidaten auserkoren: Jörg Hußmann, städtischer Beigeordneter. Marie-Lis Coenen aber fühlt sich noch zu jung für die Rente – und tritt an. Gegen die eigene Partei.
„Die Bürgerschaft von Selm hat mich ermuntert, es nochmal zu versuchen“, sagt die Bürgermeisterin. „Die haben gesagt: Wir kennen den Herrn Hußmann doch gar nicht. Bleiben sie!“ Frau Coenen hört auf die Bürgerschaft. Dabei hatte sie ihrer Partei eigentlich versprochen, nicht mehr anzutreten. Dafür hat sie einen guten Platz auf der Liste für den Stadtrat erhalten. „Das war aber nur ein Trostpflaster“, sagt sie. Stellvertretende Bürgermeisterin, das habe sie dann schon werden wollen – doch die Partei hatte schon jemand anderen für den Job. Also hat Frau Coenen ihre Ratskandidatur für die CDU zurückgezogen. „In den Reihen dieser Fraktion will ich nicht mitarbeiten“, sagt sie.
Im September werden sie dann also gegeneinander antreten: Der Herr Hußmann von der CDU, die Frau Coenen von der CDU – und Margot Berten von der SPD. Die hat ihre ganz eigene Interpretation des Streits in der Union: „Das zeigt nur, wie unzuverlässig Frau Coenen ist“, sagt sie. Ob sie lieber gegen zwei zerstrittenen Gegner antritt als gegen einen einzelnen Kandidaten? Egal, findet Frau Berten: „Ach, wissen sie – das sind beide keine Gegner für mich.“KLAUS JANSEN