: Hamburg bleibt auch ohne Schill schwarz
Neuer Innensenator wird Dirk Nockemann von der Schill-Partei, die ohne ihren Namensgeber weitermacht
HAMBURG taz ■ Um 15.30 Uhr gestern Nachmittag war die Regierungskrise in Hamburg beigelegt. Mit denkbar knapper Mehrheit wurde der Schill-Abgeordnete Dirk Nockemann zum neuen Innensenator Hamburgs gewählt. Zwar erhielt er lediglich 60 von 64 Stimmen der Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP bei 57 Gegenstimmen der oppositionellen SPD und GAL. Das reichte aber, da zwei Stimmen ungültig waren und zwei der 121 Landtagsabgeordneten sich der Stimme enthielten. An der geheimen Wahl nahm auch Ronald Schill teil: Unter Blitzlichtgewitter war er mitten in der bereits laufenden Abstimmung im Plenarsaal des Hamburger Rathauses erschienen und hatte seinen Abgeordnetenplatz in der letzten Reihe eingenommen. Wie Schill abgestimmt hatte, verriet er allerdings nicht.
Trotz dieses Zittersieges war die Erleichterung bei Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nicht zu übersehen. Anschließend versuchte sein Senat vor allem, das schlechte Ergebnis als ganz normale Sache darzustellen. Für den FDP-Bildungssenator Rudolf Lange war es gar „ein hervorragendes Ergebnis“. Und der CDU-Fraktionschef Michael Freytag, einer der engsten Vertrauten von Beusts, gab schlicht die Devise aus: „Gewonnen ist gewonnen.“ Denn wäre Nockemann durchgefallen hätte Hamburg vor Neuwahlen im November gestanden. Wahlen, die besonders die Schill-Partei und die FDP vor große Probleme gestellt hätten: Aktuelle Umfragen sehen beide unterhalb der Fünfprozenthürde.
Nun ist der 45-Jährige zwar gewählt, das Ergebnis für den neuen Senator macht indessen klar, dass das Regierungslager weiterhin gespalten ist. Als sicher gilt, dass sämtliche 57 Neinstimmen von SPD und GAL kamen. Die vier Abweichler, die sich der Stimme enthielten oder den Wahlzettel ungültig machten, kommen ohne Zweifel aus den Fraktionen der Koalition – und mit gewisser Wahrscheinlichkeit von der Schill-Partei.
Die Opposition sprach denn auch anschließend vom „Anfang vom Ende der Koalition“. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Zuckerer betonte: „Das, was hier stattgefunden hat, war der größte anzunehmende Unfall in der Politik.“ Die Koalition habe abgewirtschaftet, der Bürgermeister sei extrem geschwächt.
Schill genoss seinen Auftritt dafür so, als sei es sein letzter vor großem Publikum. Als er seine Stimme abgab, faltete er den Zettel noch einmal sorgfältig, bevor er ihn in die Urne warf, wohl wissend, dass sich die Fotoapparate dann noch einen Augenblick länger auf ihn richten. Auf die Frage, ob er denn auch künftig als Abgeordneter in der Bürgerschaft Platz nehmen werde, sagte er: „Es gefällt mir hier sehr gut.“ Er wolle schließlich dafür sorgen, dass die Schill-Partei nicht „zum Wurmfortsatz der CDU“ verkomme. PETER AHRENSSVEN-MICHAEL VEIT