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Archiv-Artikel

„Viele wollen sich an uns ranhängen“

Die Montagsdemonstranten wollen sich parteipolitisch nicht vereinnahmen lassen – auch nicht von den Linken. Dass auch Rechte mitmarschieren, lasse sich nicht verhindern, sagt Initiator Andreas Ehrholdt. Bei Störern vertraut er auf die Polizei

INTERVIEW SASCHA TEGTMEIER

taz: Herr Ehrholdt, Wirtschaftsminister Clement findet es eine „Zumutung“, dass Sie für Ihren Protest das Label der Montagsdemonstration benutzen.

Andreas Ehrholdt: Das ist eine Frechheit von Herrn Clement. Gerade von einem westdeutschen Minister. Der sollte sich in Bezug auf die DDR-Geschichte mal zurückhalten.

Wollen Sie denn – wie damals – das System stürzen?

Nein. Aber es muss doch möglich sein, die Politiker zur Vernunft zu bringen. Den Leuten ist egal, ob das System nun Kapitalismus oder Sozialismus heißt. Die Leute wollen leben, und Arbeit gehört dazu.

Bei den Demonstrationen im Osten sind sicher viele PDS-Wähler dabei. Wäre die Partei ein potenzieller Verbündeter?

Ich weiß gar nicht, ob so viele von uns PDS wählen. Darum geht es nicht. Wir haben die Probleme Arbeitslosigkeit und Harzt IV. Welche Partei die Demonstranten wählen, ist ihre Sache.

Hat denn nicht die sich formierende Linkspartei ähnliche Ziele wie Sie?

Die haben mich schon angerufen. Viele wollen sich an unsere Bewegung ranhängen. Aber die Wahlalternative geht doch denselben Trott wie die Politik seit Jahren. Nein, es müssen neue Ideen ran. Und keine frustrierten Genossen.

Sie wettern vor allem gegen die SPD. Wäre denn die CDU, bei der Sie bis vor zwei Jahren Mitglied waren, eine Regierungsalternative?

Eine CDU/FDP-Regierung wird genauso viel Stress mit uns kriegen, wenn sie so etwas wie Hartz IV weitermachen will. Und da sie das wollen, ist die CDU momentan keine Alternative für uns.

Was wäre denn eine Alternative?

Im Moment haben wir keine. Das ist ja das Dilemma.

Wie sollen Arbeitsplätze geschaffen werden?

Arbeitsplätze entstehen nur bei einem vernünftigen Steuersystem. Und nicht, wenn die Märkte so reguliert sind wie jetzt – wo man für jeden Müll eine Erlaubnis braucht.

Das klingt neoliberal. Hätten Sie gern die FDP an der Regierung?

Sicherlich ist das liberal, und genau das brauchen wir auch. Aber nicht so einen Liberalismus von Westerwelle. Es kann alles besser geregelt sein, indem man weniger regelt.

Von Magdeburg ausgehend, hat sich Ihre Idee der neuen Montagsdemos bereits über ganz Deutschland ausgebreitet. Zersplittert der Protest so nicht zu sehr?

Der Protest soll zunächst dezentral sein. Magdeburg spielt da zwar die Vorreiterrolle, mehr aber auch nicht. Die zentrale Demo findet am 3. Oktober in Berlin statt.

Haben Sie Kontakt mit den anderen Gruppierungen?

Nur vereinzelt. Ein paar Leute konnte ich bereits überzeugen, dass sie auch unter dem Namen „wir machen mobil“ auf die Straße gehen. Ich denke, es ist gut, wenn wir so Einheit zeigen.

In Dessau ist die Demo vom DGB organisiert. Missfällt Ihnen das?

Ich kann das nicht verhindern. Wir haben im Prinzip nichts dagegen, dass jeder mitmacht. Wir wollen nur nicht, dass jemand diese Bewegung für sich ausnutzen will.

Wie zum Beispiel die Rechtsradikalen. Wie die taz berichtete, waren bei der zweiten Demo Neonazis dabei …

… ja. Es wird auch in Zukunft schwer sein, das zu verhindern. Das gilt auch für die so genannten Autonomen. Wir können sie nur von der Polizei aus dem Verkehr ziehen lassen, wenn sie sich durch verfassungswidrige Äußerungen hervortun.

Nur waren die Rechten so schlau, nichts Verbotenes zu tun.

Solange sie nur mitmarschieren, können wir nichts machen. Wir sind vernünftige Leute, die für unser Ziel demonstrieren: Harz IV muss weg, solange keine Arbeit da ist. Wir wollen uns diese Bewegung nicht von solchen Idioten kaputtmachen lassen.

Auf Ihre Initiative hin versammeln sich tausende von Menschen auf den Straßen. Wie wichtig ist die Person Ehrholdt für die Demos?

Ich möchte mich nicht so herausheben. Da gibt es wohl klügere Köpfe. Fest steht aber, dass wir uns zusammensetzen sollten: über Parteigrenzen hinweg, über Lobbygruppen hinweg.