: Statt Schmierstoff bald ein Bremsklotz
Wegen des hohen Ölpreises machen sich Experten Sorgen um den zarten Wirtschaftsaufschwung in Deutschland
BERLIN taz /afp ■ Der weiterhin hohe Ölpreis könnte nach Einschätzung von Experten zu einem immer größeren Bremsklotz für die schon lahme deutsche Konjunktur werden. Sollte der Preis innerhalb weniger Wochen wieder auf 30 bis 35 US-Dollar je Fass sinken, dürften die Auswirkungen auf die Prognosen noch gering bleiben, sagte Klaus-Jürgen Gern, Leiter der Abteilung Internationale Konjunktur beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel, gestern der taz. „Allerdings sieht es danach zurzeit nicht unbedingt aus.“
So bliebe zum Beispiel abzuwarten, ob eine mögliche Erhöhung der Förderquote beim nächsten Treffen der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) im September tatsächlich für Entspannung auf den Märkten sorgt. Die tatsächliche Förderung liege nämlich bereits über den vereinbarten Quoten.
Auch für Hans-Joachim Ziesing, Energiexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, haben die Ölpreise ein Niveau erreicht, das „langsam zur Sorge Anlass gibt“. Vor allem die Spekulation erhalte durch die unsichere Lage im Nahen Osten immer wieder neue Nahrung, sagte er der taz. Sollte dies bis zum Spätherbst anhalten, würde das konjunkturelle Auswirkungen haben.
„Ein Ölpreis über 40 Dollar ist ganz klar ein Alarmsignal“, sagte der Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, Michael Heise, der Financial Times Deutschland (Dienstagausgabe). Dies bedeute „eine kräftige Abschwächung“ des Wachstums sowohl in Europa als auch in den USA. „In meinen Augen sind die Gefahren der Ölpreise in den vergangenen Monaten unterschätzt worden.“
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm, warnte vor einer allgemeinen Preissteigerung: „Es besteht eine gewisse Gefahr, dass der hohe Ölpreis eine Inflationsspirale auslöst“, sagte Ramm der Berliner Zeitung (Dienstagausgabe). Dem müsste dann mit einer Zinserhöhung entgegenwirkt werden.
Der Preis für Opec-Öl war am Montagabend erstmals über die 40-Dollar-Marke auf 40,04 Dollar. Gestern sanken die Preise an den Ölmärkten in New York und London leicht, blieben aber nahe der Rekordgrenze. Geprägt war der Handel noch immer von der Angst vor weiteren Anschlägen auf Ölanlagen im Irak. Die Versorgungslage ist nach Darstellung von Händlern weiterhin extrem gespannt, da der Verbrauch weltweit stark zulegt. Dies gilt vor allem für China und andere asiatische Länder sowie die USA.
Auch der größte russischen Ölkonzern Yukos sorgte weiter für Unruhe, nachdem das russische Justizministerium die Aktien der Produktionstochter Yuganskneftegas doch wieder einfror. Am Freitagabend hatte ein Gericht noch entschieden, dass die Zwangsvollstreckung bei der wichtigsten Yukos-Fördertochter nicht rechtens sei.
STEPHAN KOSCH