„Rückgang ist noch kein Indiz für Belebung“

Der neue Chef des Landesarbeitsamtes, Rolf Seutemann, sieht einen Silberstreif am Horizont. Im nächsten Jahr könnte es mehr Jobs geben. Zwar fehlen noch Impulse aus der Wirtschaft, aber die Hartz-Reformen beginnen zu greifen

taz: Herr Seutemann, seit gut einem Monat sind Sie im Amt, und schon sehen Sie einen ersten Hoffnungsschimmer?

Rolf Seutemann: Die Entwicklung in der Region ist positiv zu sehen, weil wir im August einen Rückgang der Arbeitslosigkeit hatten, der seit 1991 nicht so stark war. Dies ist aber kein Indiz für eine Belebung am Arbeitsmarkt durch zusätzliche Beschäftigung in wettbewerbsbestimmten Betrieben, weil nach wie vor keine konjunkturellen Impulse von der Wirtschaft ausgehen. Es ist eher ein Indiz dafür, dass die Hartz-Reformen zu greifen beginnen.

Aber im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Was ist daran positiv?

Der Abstand ist geringer geworden. Im Vergleich zum Vorjahresmonat haben wir zwar noch 30.000 Arbeitslose mehr, aber im Juli waren es im Vorjahresvergleich noch 35.000 zusätzlich gewesen. Insofern ist das schon ein positives Signal.

Wo liegen die Probleme auf dem Berliner Arbeitsmarkt?

Impulse von der wettbewerbsbestimmten Wirtschaft sind noch nicht zu erkennen, weil mögliche konjunkturelle Verbesserungen erst mit einer Verzögerung von sechs Monaten am Arbeitsmarkt ankommen. Und nach wie vor haben wir strukturelle Probleme in der Bauwirtschaft und im Einzelhandel.

Welche Impulse brachten die Hartz-Reformen?

Rund 3.700 Arbeitslose haben in Berlin eine Ich-AG gegründet, das macht sich schon in der Statistik bemerkbar. Das Instrument greift, auch weil Monat für Monat etwa 500 neue Ich-AGen in Berlin hinzukommen. Gleichzeitig beschäftigen die Personal-Service-Agenturen (PSA), die im Mai oder Juni ihre Arbeit aufnahmen, rund 2.000 Arbeitnehmer – bei einer Verleihquote von 53 Prozent. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet also schon in Betrieben.

Dass in einem öffentlichen Leiharbeitsunternehmen nur jeder zweite eingesetzt ist, scheint doch eher wenig.

Die PSA sind auf eine zwölfmonatige Beschäftigung ausgelegt. Die ersten drei Monate werden auch dafür benutzt, die Arbeitnehmer für Verleihtätigkeit fit zu machen, indem man sie weiterbildet oder einarbeitet. So betrachtet, ist die bisherige Verleihquote eher positiv zu werten.

Und wie viele PSA-Beschäftigte kommen in feste Jobs?

Nach unseren aktuellen Zahlen sind das bereits 37 Personen. Es sind also mehr, als es die aufgeregte Mediendiskussion Anfang August vermuten ließ, in der noch mit den Junizahlen operiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten die PSA ja gerade erst ihre Arbeit aufgenommen, waren mit der Einstellung und Qualifizierung der Leute beschäftigt. Mittlerweile beginnt aber das PSA-Instrument zu greifen. Dennoch kann es dazu kommen, dass die eine oder andere PSA vom Markt verschwindet, weil sie sich verkalkuliert hat und nicht vermitteln kann.

Worauf werden Sie in den kommenden Monaten Ihr Augenmerk richten?

Wir müssen die mögliche konjunkturelle Besserung, die die Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren, sehr ernst nehmen und uns darauf vorbereiten, dass Betriebe im Jahr 2004 zusätzliche Beschäftigte einstellen. Wir werden auf die Betriebe zugehen und die nötigen Qualifikationen erfragen, weil wir unsere Weiterbildungstätigkeit darauf ausrichten können. Sorgen bereiten mir aber die Entwicklung der Jugend- und der Langzeitarbeitslosigkeit, wo wir die Integration verstärken müssen.

Ab 2004 erwarten Sie neue Jobs. Wie viele kriegt Berlin?

Wenn die Signale aus der Wirtschaft stimmen, dass sich die konjunkturelle Situation verbessert, können wir bei Wachstumsraten von über 1,5 Prozent im Verlauf des nächsten Jahres mit zusätzlicher Beschäftigung rechnen. Quantifizieren lässt sich das aber noch nicht.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER