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Archiv-Artikel

„In der alten rechtschreibung war ich richtig gut“

Bildungssenator Willi Lemke (SPD) hat kein verständnis dafür, dass die zeitungsverlage Springer und Spiegel zur alten rechtschreibung zurückwollen. Die einführung der neuen schreibweisen sei bislang bei lehrern und schülern positiv verlaufen, sagt er. Und prognostiziert: Die reform bleibt

taz: Herr Lemke, die mächtigen zeitungsverlage Springer und Spiegel führen die alte rechtschreibung wieder ein. Wird sich die politik diesem druck beugen müssen?

Willi Lemke, SPD-Bildungssenator: Ich habe kein verständnis für die haltung dieser beiden verlage. Wir bleiben bei den beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK). Und damit bleibt die neue rechtschreibung.

Und worauf gründet ihr unverständnis?

Wenn man sechs jahre lang diesen prozess begleitet und die eigenen publikationen auf die neue schreibweise umgestellt hat, dann kann ich es nicht nachvollziehen, dass man nach dieser ja erfolgreich verlaufenen einführungsphase aus heiterem himmel sagt: „Wir machen nicht mehr mit“. Das chaos ensteht jetzt durch die kehrtwende der verlage, nicht durch die im übrigen einstimmigen beschlüsse der Kultusministerkonferenz zur neuen rechtschreibung.

Die Schüler Union behauptet, die reform sei „eine wahre deformierung der rechtschreibung“. Akzeptieren die schüler die reform nicht?

Das zeigt, dass die Schüler Union gänzlich desinformiert ist und sich überhaupt nicht mit dem thema auseinandergesetzt hat. Alle untersuchungen belegen, dass die rechtschreibreform in den schulen auf große akzeptanz gestoßen ist. Was die Schüler Union schreibt, ist populistisch.

Sind die schüler jetzt besser im diktat als vor der reform?

Das weiß ich nicht. Aber von den lehrern in Bremen und in Deutschland haben wir positive signale. Es hat zwar niemand „hosianna“ geschrieen, als die reform eingeführt wurde, aber sie ist angenommen worden.

Würden sie einen kleinen rechtschreibtest mitmachen?

Da können sie zu RTL oder SAT1 gehen, ich mach’ das nicht mit. Ich habe nicht radikal umgelernt, sondern im alltag schrittweise mehr und mehr elemente der neuen rechtschreibung übernommen. In der alten rechtschreibung war ich richtig gut – das können meine chefsekretärinnen sowohl bei Werder als auch im senat bestätigen. Die habe ich im gegensatz zur neuen rechtschreibung dank einer guten grammatiklehrerin perfekt gelernt. An die aktuelle schreibweise habe ich mich mehr und mehr gewöhnt.

Marcel Reich-Ranicki hat im Spiegel vor kurzem behauptet, „Demokratie“ würde nach den neuen regeln in „de-mok-ratie“ getrennt. Stimmen sie zu?

Ich würde für „de-mo-kra-tie“ plädieren.

Laut Duden geht beides. Was sagen sie zur von Reich-Ranicki ebenfalls angeprangerten getrenntschreibung von „tief schürfend“ oder „wohl verdient“?

Dafür sind die experten zuständig. Wenn es fundierte kritik an einzelnen bereichen der rechtschreibung gibt, sollen die fachleute zu einem urteil kommen und gegebenenfalls auch etwas korrigieren. Für solche fälle hat die KMK den wissenschaftlichen Rat eingesetzt. Interview: Thomas Nagel Foto: Indra Wegner