: Vorwärts zum guten alten Holzgas
In der Vergasung von Biomasse liegen erhebliche Reserven für Kraftstoffe und Strom
FREIBERG taz ■ Noch 40 Jahre. Oder 50. Dann können auch hohe Ölpreise die Versorgungskrise mit fossilen Energieträgern nicht mehr regulieren. Vielleicht schwärmen wir dann aus und sammeln Reisig und Holz oder fahren Autos mit Holzvergaser. Absurd ist das nicht: Die Vergasung von Biomasse könnte den Primärenergiebedarf zu 10 bis 15 Prozent decken, prognostiziert eine Studie des Forschungszentrums Karlsruhe. Das entspräche dem Zehnfachen des derzeitigen Anteils in Deutschland.
Die Technologie ist nicht neu. Schon 1979 nahm im sächsischen Freiberg der erste Flugstromvergaser den Betrieb auf. Größere Bedeutung erreichte die Vergasung aber nicht, erst heute hat sie wieder eine Perspektive.
In diesen Tagen führt das Forschungszentrum Karlsruhe in Freiberg Versuchsreihen durch. Der seit diesem Jahr zur Firma Future Energy gehörende Freiberger Flugstrom-Druckvergaser ist die einzige Pilotanlage in Europa und das wichtigste Glied in einem von Karlsruhe entwickelten Verfahren. Das hier produzierte Synthesegas kann in hochreinen Kraftstoff oder „nahezu die gesamt organische Chemie“ umgewandelt werden, so Abteilungsleiter Edmund Henrich.
Zunächst aber kommt ein in Karlsruhe entwickeltes Verfahren zum Einsatz, das Hölzer, Stroh, Restmüll, Klärschlamm oder sogar Kuhfladen verflüssigt: Dezentrale Pyrolyseanlagen konzentrieren das Ausgangsmaterial, unter Luftabschluss bei schneller Erhitzung entsteht ein Gemisch aus Pyrolyseöl und Koks, so genannter Slurry. Nun kommt der Freiberger Vergaser ins Spiel, im Prinzip ein Allesfresser. Laut Eckhard Dinjus, Direktor des Instituts für technische Chemie im Forschungszentrum, kann er auch stark aschehaltige Slurrys verarbeiten, nutzt reinen Sauerstoff und erzeugt ein nahezu ideales Synthesegas. Damit die Anlage wirtschaftlich arbeitet, müsste sie laut Dinjus aber einen mehr als hundertfachen Durchsatz ermöglichen. Außerdem könnte die bei der Kühlung anfallende Abwärme verstromt werden. Diese „Wärmegutschrift“ müsste, so die Forscher, bei einer Novellierung des Eneuerbare-Energien-Gesetzes honoriert werden.
Aus einer Tonne Bioabfall ließen sich etwa 160 Liter Kraftstoff und 500 Kilowattstunden Elektroenergie erzeugen. Eine effektivere und umweltschonendere Verwendung als die Verbrennung von Holzhackschnitzeln oder die Verarbeitung von Rapsöl zu Biodiesel, meinen die Experten aus Karlsruhe und Freiberg. Noch spielen die Kosten eine zentrale Rolle. Strom aus Biomasse ist derzeit zwei- bis dreimal teurer als aus einem Steinkohlekraftwerk. Bei Kraftstoffen käme man aber schon in die Nähe des Ölpreises. „Ein ermäßigter Mineralölsteuersatz würde solches Benzin konkurrenzfähig machen“, meint Henrich. Optimistisch geben sich die Karlsruher, wenn sie die Kohlendioxid-Minderungskosten nach herkömmlichen Verfahren in den Vergleich einbeziehen – vorausgesetzt, man hielte sich ans Kioto-Protokoll. Dinjus jedenfalls spricht von einer „grünen Chemie für eine saubere Zukunft“. MICHAEL BARTSCH