: Landeanflug auf Schönefeld
VON PHILIPP GESSLER
Wenn Ferdi Breidbach richtig in fahrt kommt, wird’s katholisch: „Wir freuen uns schon auf das politische hochamt“, sagt der ehemalige CDU-bundestagsabgeordnete. Morgen, das werde ein solches hochamt, wie es immer eines gegeben habe bei berlin-brandenburgischen projekten, die dann gescheitert seien. „Wie eine monstranz“ würden die zukunftschancen für die region hochgehalten, schwärmt ironisch der katholik. Und enden würde das dann wie bei der chipfabrik in Frankfurt (Oder), bei der fusion der berliner banken, beim Tempodrom und beim Lausitzring: mit einem skandal und einer riesigen pleite. Oder, um im bild zu bleiben, mit ewiger verdammnis.
Breidbach ist vorsitzender des Bürgervereins Brandenburg-Berlin (BVBB) und wird morgen einen schlechten tag haben. Denn am vormittag endet nach viereinhalb jahren das planfeststellungsverfahren für das größte infrastrukturprojekt Ostdeutschlands seit dem fall der mauer: den ausbau des flughafens Schönefeld am südöstlichen stadtrand Berlins zum BBI, zum flughafen Berlin-Brandenburg International. Lothar Wiegand, sprecher des federführenden verkehrsministeriums in Potsdam, nennt den an einem freitag, dem 13. endenden genehmigungsprozess „das größte planfeststellungsverfahren“, das je in der bundesrepublik anlief. Innerhalb dieses prozesses brachten etwa 260.000 bürgerInnen, organisationen und kommunen einwendungen vor – etwa zehnmal mehr als beim planfeststellungsverfahren für den bau des umstrittenen flughafens „Franz Josef Strauß“ im Erdinger Moos bei München.
Dieses mammutverfahren endet mit dem morgigen planfeststellungsbeschluss – und damit vorerst auch eine geschichte der skandale, pannen und geldverschwendung (siehe unten) Allein dieser beschluss umfasst etwa 1.500 seiten mit mehreren hundert karten. Ein solcher beschluss spricht en bloc alle öffentlich-rechtlichen genehmigungen für den 1,7-milliarden-ausbau aus, das ist de facto die baugenehmigung. Ab montag könnten die bagger rollen. Seit jahren kämpfen dagegen Breidbach und seine 5.300 mitstreiter vom BVBB. Es ist die wohl größte bürgerinitiative der brd – mit eigener geschäftsstelle übrigens. Zu zwei öffentlichen erörterungsterminen im verfahren kamen vor drei jahren 4.000 menschen. Allein die protokolle dieser anhörungen haben einen umfang von 3.700 seiten. Bis 20. september sollen die 1.500 seiten planfeststellungsbeschluss in drei berliner bezirken und 20 brandenburger gemeinden ausliegen.
Zwar kann rein theoretisch der morgige planfeststellungsbeschluss auch zu dem ergebnis kommen, dass gar nicht gebaut werden darf – aber damit rechnet niemand. Brandenburgs verkehrsminister Frank Szymanski (SPD) nannte den beschluss bereits vor knapp zwei wochen einen „weiteren rückenwind für das vorhaben“. Der geplante flughafen sei „schon jetzt wirtschaftsmotor für die region“. Auch Breidbach erwartet, dass der planfeststellungsbeschluss das infrastrukturprojekt genehmigt. Und sollte es dabei auflagen geben, dann wahrscheinlich nur „optisch-propagandistischer art“, mutmaßt der 66-jährige, nichts als „weiße salbe“.
Bedeutet dies, sie waren alle umsonst, die mehr als eine viertelmillion einwendungen, gesammelt in mehr als 1.500 (!) aktenordnern? Keineswegs. Denn jetzt beginnt ein anderes, ein noch größeres spiel. Gegen den planfeststellungsbeschluss können nun klagen beim bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden. Die einwendungen, etwa 125 meter papier, begleiten dann als „eine art beweismittel“ die klagen nach Leipzig, so Wiegand. Und klagen wird es auf jeden fall geben, erklärt Breidbach, der im bundestag unter dem damaligen unions-fraktionsvorsitzenden Helmut Kohl in den 70ern „opposition gelernt hat“, wie er sagt. Es gebe „knapp 10.000 klagewillige“ für den prozess in Leipzig. Es ist die erste und letzte instanz.
Hier steckt ein neuer superlativ: „mit sicherheit“, so Karin Siebert, die leiterin der pressestelle, werde es das größte verfahren, das das bundesverwaltungsgericht je zu bewältigen hatte. Die flughafengegner wollen beantragen, dass die klagen aufschiebende wirkung haben. Ein sprecher der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS) sieht die historische klagewelle relativ gelassen: Man rechne sowieso damit, erst 2006 mit dem bauen zu beginnen. Solange könne man in der feinplanung vorankommen. Ab ende 2010 will man auf BBI starten und landen.
Doch schon jetzt kostet das großprojekt unsummen. Allein in diesem jahr haben die gesellschafter des großprojekts, der bund und die beiden länder Berlin und Brandenburg, 75 millionen Euro an investitionen für den flughafen vorgesehen, sagt Brandenburgs Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) – es sind vor allem der kauf von flächen und die umsiedlung von gemeinden. Der transfer von dorf und friedhof der brandenburgischen gemeinde Diepensee etwa hat in den vergangenen jahren über 80 millionen Euro verschlungen. Gerade die nötigen straßenbauten zum flughafen kosten nach auskunft des Schönefeld-sprechers schon jetzt rund 400.000 Euro pro tag.
Der witz ist: Noch immer gibt es kein finanzierungskonzept, wie und woher die 1,7 milliarden Euro für den ausbau des flughafens überhaupt zusammengekratzt werden können. Die gespräche mit den banken laufen. „Natürlich gibt es da interesse“, heißt es bei der FBS – aber mehr will man dazu nicht sagen. Fast alles hängt daran, dass die anderen beiden flughäfen der hauptstadt, Tegel und Tempelhof, geschlossen werden, wie es der „konsensbeschluss“ der gesellschafter 1996 vorsah. Nur dann könnte Schönefeld das monopol erhalten und wirtschaftlich arbeiten.
Denn Schönefeld macht nach auskunft des FBS-sprechers noch etwa 30 millionen Euro minus im jahr. Auch der alte nazi-flughafen Tempelhof mitten in der stadt schreibt dicke rote zahlen, etwa 15 millionen Euro jährlich. Nur Tegel hat 2003 ein plus erwirtschaftet, und zwar in höhe von 50 millionen Euro. Tempelhof soll ab 31. oktober dieses jahres seinen betrieb einstellen. Dagegen klagen aber zwei fluglinien, die von dort noch starten. Gerade geschäftsreisende finden es attraktiv, in der city zu landen, das spart zeit – Tegel und erst recht Schönefeld liegen doch etwas ab vom schuss.
Dies aber war immer ein argument für den ausbau Schönefelds: dass dann weniger menschen von fluglärm und anderen unbilden betroffen wären als bei einem weiterbetrieb Tempelhofs und Tegels, wo 2011 das letzte flugzeug starten soll. „Durch den ausbau von Schönefeld werden 100.000 menschen von fluglärm entlastet“, sagt ministeriumssprecher Wiegand – aber etwa 140.000 würden, zumindest kurzfristig, belastet, hält Breidbach entgegen. Auch die kosten von 1,7 milliarden Euro hält der flughafen-gegner für „eine lachnummer“. Schon jetzt habe der steuerzahler insgesamt eine milliarde Euro für das ganze projekt bezahlt. Und das argument, der flughafen werde zu einer „jobmaschine“ für die region, sei schlicht „das dümmste zeug, was ich bisher gehört habe“. Insgesamt habe man vor gericht in Leipzig deshalb „gute karten“. Justitia hat schwerstarbeit vor sich.