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Recycling-WirtschaftBares Geld aus Altpapier

Die Preise für Altpapier steigen seit Jahren deutlich. Damit lohnt sich das Sammeln wieder: Mehrere Firmen zahlen Centbeträge je Kilogramm Papier - und wetteifern um die noch wenigen Kunden in der Stadt.

Mit Müll besserten die jugendlichen Pioniere der DDR ihr Taschengeld auf. Sie zogen mit Leiterwagen durch die Straßen, sammelten Glas und Altpapier und brachten es zu zentralen Sammelstellen.

Um die 30 Pfennig gabs für ein Kilo Zeitungen. Sero - kurz für Sekundärrohstofferfassung - hieß das DDR-Konzept. Seit einiger Zeit wird es in Berlin wiederbelebt. Denn statt für ihre 1.100 Liter fassende Papiertonne zwischen 3 und 6 Euro pro Leerung zu bezahlen, können Berliner ihr Altpapier zu Sammelstellen bringen und bekommen sogar Geld dafür.

Vier Cent pro Kilogramm Zeitungen zahlt etwa die Firma Papierbank, die in der Stadt 20 Sammelstellen betreibt und damit das umfassendste Netz anbietet. Ihr kleinerer Konkurrent Wiko zahlt 7 Cent pro Kilo.

Grund für die neue Sammelwut: Papier wird knapper; wegen der gestiegenen Nachfrage in Deutschland und Asien schnellen die Preise für Altpapier in die Höhe. Lag der Preis für eine Tonne Altpapier Anfang 2006 noch unter 40 Euro, kostet sie derzeit 80 Euro und mehr, sagt Andreas Siepelt, der Berliner Landeschef des Bundesverbandes für Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Deshalb wird um das Berliner Altpapier hart gekämpft. Laut Siepelt produzieren Berliner Haushalte 15.000 Tonnen Altpapier monatlich. Eingesammelt wird es vor allem von den Firmen Berlin Recycling, einer 100-prozentige Tochter der Berliner Stadtreinigung (BSR), und Alba. Letztere kooperiert seit einem Jahr mit Papierbank.

Die Kreuzberger Firma gibt es seit 2004 und hat in Berlin nach eigenen Angaben inzwischen 80.000 Kunden. Die können ihr Altpapier gebündelt und versehen mit ihrer Kundennummer zu den Annahmestellen bringen. Sie bekommen dann pro Kilo zwischen 2 Cent für gemischtes Papier und 8 Cent für weißes Papier auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben. Das Guthaben können sie sich in der Kreuzberger Zentrale auszahlen oder - ab einem Betrag von 10 Euro - überweisen lassen.

Zu den Kunden der Papierbank zählen inzwischen viele Kindertageseinrichtungen und Schulen. "2006 haben wir insgesamt 6.000 Tonnen Papier gesammelt, in diesem Jahr rechnen wir mit dem Doppelten", sagt Dirk Bernhardt, der Chef der Papierbank.

Der Konkurrenzdruck unter den Entsorgern sei enorm, berichtet Andreas Siepelt, der nicht nur Verbandschef, sondern auch Prokurist von Bartscherer-Recycling in Reinickendorf ist. Er kritisiert das Modell der Papierbank. "Die Papierbank ist das 'Schmuddelkind' unter den Entsorgern", so Siepelt.

Er bezweifelt, dass die Papierbank wirklich jedes Altpapierbündel, das die Kunden an Sammelstellen in Container werfen, einzeln abwiegen. "Ein Kilo Altpapier wird derzeit für etwa 8 Cent verkauft. Wenn die Hälfte davon an die Kunden geht, kann sich das gar nicht rechnen", argumentiert Siepelt. Er befürchtet, dass die Kunden deswegen langfristig nicht ausbezahlt werden. Diese Zweifel teilen auch andere Konkurrenten in Berlin, die jedoch namentlich nicht genannt werden möchten.

Dirk Bernhardt, Chef der Papierbank, weist die Vorwürfe zurück. "Die Hälfte unserer Erlöse geht an die Kunden, und trotzdem lohnt sich das Geschäft. Die Papierbank funktioniert und expandiert", sagt Bernhardt. Inzwischen gebe es in den neuen Bundesländern mehr als 20 Anbieter solcher Sammelstellen. "Dieses Modell zahlt sich aus." Besonders in den Ostbezirken Berlins sei das Altpapiersammeln gut angenommen worden - aus Nostalgiegründen, wie Bernhardt vermutet. Aber auch die Westberliner Altpapiersammler zögen jetzt nach.

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