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Archiv-Artikel

Kinder als Karrierehemmnis

Die Berufsbiografien von Ärztinnen enden meistens in der mittleren Führungsebene, in hohe Positionen gelangenvor allem ihre männlichen Kollegen. Laut eines neuen Forschungsprojektes sind dafür „strukturelle Zwänge“ verantwortlich

Frauen müssen stärker versuchen, in männliche Netzwerke zu kommen

von VOLKER ENGELS

An der Uni ist meistens noch alles gut: Studentinnen und Studenten der Medizin oder Psychologie unterscheiden sich nach Anzahl, Studiendauer und Studienleistungen kaum voneinander. Doch kaum wechseln die Absolventen und Absolventinnen in die Berufstätigkeit, wird der kleine Unterscheid zur Karrierebremse: Die Berufsbiografien von Ärztinnen enden meistens in der mittleren Führungsebene, in hohe Positionen gelangen vor allem die männlichen Kollegen.

Das sind Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Professionalisierung und Integration der Lebenssphären – geschlechtsspezifische Berufsverläufe in Medizin und Psychologie“, das seit 1998 an der Freien Universität Berlin (FU) läuft. Befragt wurden Mediziner und Medizinerinnen sowie Psychologen und Psychologinnen, die Mitte der Achtzigerjahre ihre Approbation oder ihr Diplom erlangt haben, seit mehr als 15 Jahren im Berufsleben stehen und in einem Alter sind, in dem die wichtigsten Weichenstellungen erfolgt sind: Der Baum ist gepflanzt, das Kind gezeugt oder geboren, die eigene Praxis eröffnet.

Das alte Klischee von dem erfolgreichen Mann, hinter dem immer eine starke Frau steht, die ihm den Rücken frei hält, scheint die Studie zu belegen: „Die schönsten Vorstellungen von egalitärem Leben als Paar zerplatzen, wenn das erste Kind kommt“, sagt Arbeitspsychologe Ernst Hoff von der FU, der die Untersuchung leitet. Noch immer seien es vor allem die Frauen, die Erziehungsurlaub nehmen oder sich eine Teilzeitstelle suchen. „Die Koordinationsleistung, den Beruf mit dem Privaten zu verbinden, erledigen die Frauen“, sagt der FU-Professor. Frauen stellen ihren Kinderwunsch zugunsten einer Karriere häufig zurück oder ziehen sich umgekehrt aus dem Berufsleben aus Familiengründen zurück.

Kinder stellen für Medizinerinnen ein deutliches Karrierehemmnis dar: „Wir haben unter den Ärztinnen in höchsten Positionen keine Frau mit Kindern gefunden“, so Hoff. Dagegen hätten leitende Ärzte oft „mehrere Kinder“. Eine Ursache für dieses Missverhältnis sieht der Berliner Professor auch in „strukturellen Zwänge“, wie strikte Arbeitszeitregelungen, die wenig familienfreundlich sind.

Naturgegeben sind die Karriereunterschiede indes nicht: „Wenn es zum Beispiel gesetzlich festgeschrieben würde, dass eine Auszeit für Kindererziehung kein Karrierehemmnis sein darf oder alle Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hätten, ließe sich einiges bewegen.“ In den skandinavischen Ländern mit ihren gut ausgebauten Sozialsystemen gebe es „deutlich mehr Frauen mit Kindern in Führungspositionen“.

Beruflicher Aufstieg und Einkommen sind aber nicht das einzig relevante Merkmal für Erfolg. „Frauen haben oft ein anderes Leitbild, nach dem sie beruflichen Erfolg definieren“, so Hoff. Gelungen sei für Frauen ein Berufsverlauf, der sich optimal in ein ganzheitliches Konzept von Lebensführung einfügt: In ein solches Konzept lässt sich das private Leben mit Kindern, Partner oder Freunden integrieren. Ein Ansatz, der sich nicht alleine an beruflichen Erfolgskriterien orientiert, „könnte auch für Männer ein Weg sein“, meint der Arbeitspsychologe Hoff.

Für den Marburger Bund, die Interessenvereinigung der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte, sind vor allem die wenig frauen- und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen Ursachen dafür, dass es nur wenige Ärztinnen nach oben schaffen: „Es ist schwer, eine Weiterbildung zur Fachärztin zu machen, wenn sie in dieser Zeit Kinder in die Welt setzen“, sagt Magdalena Benemann vom Marburger Bund. Die Fortbildung zur Fachärztin, die vor der Ärztekammer abgelegt werden muss, dauere fünf bis sechs Jahre. Eine Teilzeitstelle würde diesen Zeitraum sogar verdoppeln. „Das nimmt viele Frauen aus dem Rennen“, so die promovierte Volkswirtin. Um die Karrierechancen von Medizinerinnen zu verbessern, müssten mehr Teilzeitstellen geschaffen und die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder verbessert werden. Immerhin lässt sich ein positiver Trend auf niedrigem Niveau beobachten: der Anteil von Chefärztinnen an deutschen Krankenhäusern ist zwischen 1994 und dem Jahr 2001 von 8,6 auf 9,6 Prozent gestiegen.

Auch Mentor-Programme können helfen, den Weg von Frauen an die Spitze zu ebnen: „Es bringt gute Ergebnisse, wenn erfahrene Chefärzte karrierewillige Medizinerinnen unterstützen“, meint die Geschäftsführerin des Marburger Bundes. Ein aktuelles Projekt zur Karriereförderung von Frauen, das in zwei Kliniken durchgeführt werde, stoße auf sehr positive Resonanz: Leitende Ärzte stehen ihren Kolleginnen als Coach zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung, beraten und helfen ganz konkret beim Bewerbungsprozess.

Im Unterschied zu den Frauen scheinen Männer besonders im beruflichen Umfeld auf Networking zu setzen. Die Konsequenz für Ärztinnen: „Frauen müssen stärker versuchen, auch in männliche Netzwerke zu kommen“, rät Magdalena Benemann.