: Linkes Problem
Kein Karriereausklang: Ein alter Handball-Schwede soll Flensburg-Handewitt die Bescheidenheit austreiben
Flensburg taz ■ Es ist noch gar nicht so lange her, da kultivierten sie in Flensburg mit Hingabe das Image der tapferen Habenichtse. Schon Vize-Meisterschaften wurden als starke Leistung eines finanzschwachen Klubs gefeiert. Die Zeiten der Bescheidenheit sind bei der SG Flensburg-Handewitt jedoch passé. Nach dem Gewinn des DHB-Pokals in der vergangenen Saison steckt sich der Handball-Bundesligist höhere Ziele. „Champions League, Meisterschaft, DHB-Pokal. Wir treten in drei Wettbewerben an, wir wollen dreimal nach dem Titel greifen“, sagt SG-Manager Thorsten Storm. Nach dem 31:28-Heimsieg am Sonnabend gegen Wilhelmshaven rangiert das Team mit vier Punkten auf Platz zwei. „Wir liegen damit voll im Soll“, konstatiert Flensburgs neuer Trainer Kent-Harry Andersson.
Im Laufe der Saison droht den Flensburgern dennoch ein Linkshänder-Problem im Rückraum. Mit Marcin Lijewski hat die SG nur einen Spieler auf dieser Position, der höchsten Ansprüchen genügt, der Este Kuopo Palmar (Ystad IF) kommt erst im Sommer 2004. Dem Youngster Maik Makowka traut man offenbar noch keine Saison auf Champions-League-Niveau zu. Deshalb präsentierten die Flensburger am Sonnabend ihr jüngstes Schnäppchen. Und das ist ein alter Schwede: Der 37-jährige Pierre Thorsson soll Lijewski im linken Rückraum entlasten.
Pierre Thorsson kann auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. Zwölf Jahre lang spielte er in Schwedens Nationalmannschaft, gewann drei Silbermedaillen bei Olympia, drei Europameister- und zwei Weltmeister-Titel. Allerdings spricht gegen Thorsson das hohe Alter.
Eigentlich hatte er mit dem Profi-Handball abgeschlossen, sich ein Haus im heimatlichen Karlskrona gebaut und wollte seine Laufbahn bei einem Drittligisten ausklingen lassen. Das Flensburger Angebot hat er erst nach reiflicher Diskussion mit seiner Familie angenommen. „Mich reizt die Champions League“, sagt er. In Flensburg ist man sich sicher, mit Thorsson einen guten Fang gemacht zu haben. „Pierre ist der ideale Mann, bis im Sommer Palmar kommt“, meint SG-Manager Storm. „Wir haben eine echte Spitzenmannschaft.“
In der Tat zeigt ein Blick auf den Kader, dass die Ansprüche des Managers berechtigt sind. Sämtliche Spieler, die in der vergangenen Saison zur Stammsieben zählten, blieben dem Klub erhalten. Lediglich der Abgang von Mark Dragunski (Gummersbach) dürfte Trainer Andersson schmerzen. Dafür holte die SG mit Norwegens Nationalspieler Johnny Jensen (Eisenach) jedoch adäquaten Ersatz. Und auch im Tor verpflichtete die SG ein Talent. Dan Beutler (Redbergslid Göteborg) verdiente sich zuletzt zweimal das Prädikat „bester Torwart Schwedens“.
Trotzdem stapelt Trainer Andersson tief: „Natürlich möchte ich mit meiner Mannschaft im ersten Jahr einen Titel gewinnen. Aber dazu brauchen wir viel Glück.“ Manch einer mag sich ob solcher Worte wieder an alte Flensburger Zeiten erinnert fühlen. MATTHIAS ANBUHL