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Archiv-Artikel

Ehrenrettung für die Wespen

Nur zwei von 700 Arten sind aufdringlich. Und auch ein Wespenstich ist weit weniger giftig als der einer Biene. Freihängende Nester beherbergen nur friedliche Völker

BERLIN taz ■ Wespen – wohl kaum eine andere Gruppe der heimischen Fauna verbreitet derzeit mehr Angst und Schrecken als diese kleinen Insekten. Gibt es nicht die alte Volksweisheit, dass drei Hornissenstiche einen Menschen und sieben Stiche gar ein Pferd töten können?

Mit der volkstümlichen Bezeichnung „Wespen“ verbinden die meisten Menschen die gelb-schwarzen Vertreter der 12 Arten unserer heimischen, staatenbildenden „Sozialen Faltenwespen“. Weithin unbekannt sind über 700 weitere Wespenarten, deren Weibchen einen Wehrstachel tragen. Für den Menschen sind diese nichtstaatenbildenden Wespen ungefährlich, da der schwache Stachel unsere Haut nicht durchdringen kann.

Darüber hinaus wird die Giftigkeit eines Wespenstiches meist stark überschätzt. Hornissen injizieren pro Stich eine derart geringe Giftmenge, dass mehrere tausend Stiche nötig wären, um einen erwachsenen Menschen alleine aufgrund der Giftwirkung ernsthaft zu gefährden. Das Gift der Honigbiene ist übrigens rund zehnmal wirksamer als Wespengifte. Aufgrund ihres wirtschaftlichen Nutzens genießt die Biene hingegen trotzdem einen guten Ruf in der Öffentlichkeit, obwohl viele Rassen relativ aggressiv sind.

Ernsthafte Gefahr besteht allerdings für die rund zwei Prozent der Bevölkerung, bei denen allergische Reaktionen auf Bienen- oder Wespengift auftreten. Diese Personen sollten antiallergische Notfallmedikamente mit sich führen oder nach einem Stich schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen. Gleiches gilt auch nach Stichen im Bereich der Atemwege.

Bei den Wespen sind es eigentlich nur die beiden Arten Deutsche Wespe und Gemeine Wespe mit ihren großen Völkern bis über 10.000 Individuen, die Probleme bereiten. Sie nisten im Erdboden oder in dunklen Hohlräumen. Die freihängenden, oft gut sichtbaren Nester der selbst in Nestnähe recht friedfertigen Arten hingegen geraten leider häufig in die Schusslinie einer ungerechtfertigten Zerstörungswut. Diese Wespen beenden mit Ausnahme der Hornisse ihre Entwicklung übrigens schon im September und bilden viel kleinere Völker aus als die langlebigen Deutschen und Gemeinen Wespen. Sie essen auch keine menschlichen Nahrungsmittel, sondern fangen lebende Tiere oder trinken Blütennektar. Die meisten Wespen jagen zur Versorgung ihrer Brut große Mengen lästiger und Nutzpflanzen schädigender Insekten. Meist lassen sich Stiche durch angepasstes Verhalten abwenden. Dazu zählen ruhige Bewegungen, das Abdecken süßer Speisen oder Getränke und Meidung des Nahbereiches von Erdnestern. Störend wirken sich dunkle, wallende Bekleidung, starker Schweiß- und Parfumgeruch oder das Verstellen der Flugbahn aus. Dann können Wespen ihre Angriffsduftstoffe ausschütten und die Nestgenossinnen zum Alarm rufen. ROLF WITT

Der Autor ist freiberuflicher Diplom-Biologe (Forschungsgebiet: Stechimmen (Bienen, Wespen, Ameisen) und Buchautor