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Archiv-Artikel

Wahlkampf zwischen Geldnot und Strafgesetz

Bundesgerichtshof kündigt Grundsatzurteil zur Vorteilsannahme in der Kommunalpolitik an: Wie passen Spenden in einen Wahlkampf? Wuppertaler Bürgermeister, der sich vom Baulöwen sponsern ließ, muss um Freispruch bangen

KARLSRUHE taz ■ Wie finanziert man heute einen Kommunalwahlkampf, ohne sich strafbar zu machen? Diese Frage muss derzeit der Bundesgerichtshof (BGH) klären. Gestern kündigte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf ein Grundsatzurteil an.

Konkret ging es um den Fall des Wuppertaler Oberbürgermeisters Hans Kremendahl (SPD). Dieser hatte sich im OB-Wahlkampf 1999 vom Bauunternehmer Uwe Clees mit insgesamt 256.000 Euro unterstützen lassen. Clees hoffte auf Rückenwind unter anderem für ein Einkaufszentrum. Die Spenden wurden unter Verletzung des Parteiengesetzes teilweise über Strohmänner abgewickelt und im Rechenschaftsbericht der SPD auch falsch ausgewiesen.

Clees wurde vom Landgericht Wuppertal später wegen Vorteilsgewährung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – Kremendahl dagegen freigesprochen. Nach Ansicht der Richter hatte der SPD-Politiker gegenüber seinen Parteifreunden stets auf eine ordnungsgemäße Abwicklung von Spenden gedrungen und von den Buchungstricks nichts gewusst. Die Entscheidung sorgte damals für Überraschung, denn nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuchs hatte sich Kremendahl so oder so wegen Vorteilsannahme strafbar gemacht.

Eigentlich hätte er die Unterstützung von Clees gar nicht erst annehmen dürfen. Seit 1997 kommt es für die Bestrafung wegen Vorteilsannahme nicht mehr darauf an, dass das Geld für eine konkrete Amtshandlung fließt. Es genügen auch Zahlungen zur „Klimapflege“. Außerdem muss das Geld nicht an den Amtsinhaber bezahlt werden, es genügt auch die Spende an Dritte, hier Wuppertals SPD.

In der Revision waren sich alle Beteiligten (inklusive Staatsanwaltschaft) einig, dass diese Bestimmung einschränkend ausgelegt werden muss. Andernfalls könnte sich ein Amtsinhaber nicht mehr für die Finanzierung seines Wahlkampfes engagieren. Kremendahls Verteidiger Sven Thomas unterstützte die Lösung des Landgerichts Wuppertal: Immer wenn die Vorschriften des Parteiengesetzes beachtet werden, entfiele demnach die Strafbarkeit. Motto: Wer die Spenden veröffentlicht, darf sie auch annehmen. Thomas verwies auf das Bundesverfassungsgericht, das von den Parteien verlange, sich möglichst stark selbst zu finanzieren, um nicht vom Staat abhängig zu werden.

Bundesanwalt Hannich hielt diese Argumentation für zu weitgehend. „Auch das Parteiengesetz verbietet Spenden, die nur dazu dienen, eine politische Gegenleistung zu erkaufen.“ Man müsse daher unterscheiden zwischen zulässigen Spenden, die allgemein eine bestimmte politische Haltung unterstützen wollten, und unzulässigen Spenden wie der von Investor Clees, die im Zusammenhang mit konkreten Projekten stehen.

Das Urteil wird am 28. Oktober verkündet. Kremendahl kandidiert bei der NRW-Kommunalwahl am 26. September erneut als OB. Bis dahin kann er sich also noch mit dem Freispruch präsentieren. CHRISTIAN RATH