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Archiv-Artikel

Eine Frage des Typs

Die Wasserspringerinnen Conny Schmalfuß und Ditte Kotzian hoffen heute ganz synchron auf eine Medaille

BERLIN taz ■ Fragt man die Berliner Wasserspringerinnen Conny Schmalfuß und Ditte Kotzian, wie lange sie zusammen trainieren mussten, um ihren ersten Wettkampf im Synchronspringen zu gewinnen, dann schauen sich beide lächelnd an und antworten im Chor – sozusagen synchron: „Fünf Minuten.“ Für den Laien eine überraschende Antwort. Wie können zwei Wasserspringerinnen jede einzelne ihrer Bewegungen, angefangen beim Anlauf über Absprung, Salti und Schrauben bis hin zum Eintauchen, auf den Millimeter genau gleichzeitig koordinieren, ohne vorher jede dieser Bewegung ausgiebig gemeinsam zu üben? „Alles eine Frage des Typs und der Technik“, verrät ihr Trainer Karlheinz Ranisch.

Den überwiegenden Teil ihrer Zeit trainieren Synchronspringer allein, um die eigene Technik zu perfektionieren. Erst dann stellen Trainer die Einzelspringer zu Paaren zusammen. Dabei kommt es darauf an, dass die Technik der beiden Springer sich weitgehend gleicht. Und das ist bei den Berliner Studentinnen der Fall, obwohl Ditte mit 1,77 Metern wesentlich größer ist als Conny. „Natürlich wäre es ideal, wenn beide die gleiche Größe und Figur hätten, das verstärkt den Eindruck der Synchronität noch. Aber das Verhältnis ihrer Gliedmaßen ist gleich, und damit sind synchrone Sprünge kein Problem“, meint Ranisch.

Um in der Weltspitze, die heute Abend ihre Olympiasieger vom 3-m-Brett (Frauen) und vom 10-m-Turm (Männer) ermittelt, mithalten zu können, müssen die beiden aber natürlich auch gemeinsam trainieren. Nur durch viele Trainingseinheiten lernt man die Bewegungen des Partners genau kennen und kann die eigenen Bewegungsabläufe daran anpassen.

Wer nun glaubt, Synchronspringer würden diejenigen, deren Leistungsniveau für die Einzelkonkurrenz nicht ausreicht, der irrt sich. Nur Springer, die in der Lage sind, Übungen mit hohem Schwierigkeitsgrad perfekt zu absolvieren, und das kontinuierlich, eignen sich für den Paarwettkampf. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Einzelerfolgen der Springer, die oftmals sowohl in der Synchron- als auch in der Einzelkonkurrenz antreten. „Gemeinsames Springen, ob im Training oder im Wettkampf, macht einfach mehr Spaß“, begründet Ditte Kotzian ihre Entscheidung für das Synchronspringen. Und Conny Schmalfuß fügt hinzu: „Man kann beim Training schön quatschen, und bei Meisterschaften steht man nicht so allein oben auf dem Sprungbrett.“ Auch privat verstehen die beiden sich sehr gut. Lachend erzählt ihr Trainer, dass sie sich sogar äußerlich „synchronisiert“ haben. Die ursprünglich unterschiedlichen Haarfarben und Frisuren wurden inzwischen, bewusst oder unbewusst, angeglichen.

Jeder Sprung wird mit einem Kommando eingeleitet, das bis auf die Hundertstelsekunde stimmen muss. Bei den Berlinerinnen gibt Conny Schmalfuß den Ton an. Beide konzentrieren sich mit gesenktem Kopf, tauschen dann einen kurzen Blick, bevor die Ältere der beiden ruft: „Und … ab!“ Auf dieses Kommando machen sie drei Anlaufschritte und holen mit einem Sprung auf die Spitze des Brettes Schwung. Wird die Übung nicht durch den Ruf einer der beiden abgebrochen, dann absolviert jede ganz für sich ihren Sprung. Auch wenn sie sich gegenseitig aus den Augenwinkeln noch wahrnehmen, ist eine Einflussnahme auf die Synchronität zu diesem Zeitpunkt nahezu unmöglich. „Ändern können wir durch das Wahrnehmen der Partnerin nicht mehr viel, aber schon beim Eintauchen wissen wir, wie der Sprung war“, erklärt Ditte Kotzian.

Als das Synchronspringen 1997 erstmals in das Programm einer Europameisterschaft aufgenommen wurde, holten die Deutschen alle Titel. Damals gab es nur wenige Länder, die sich auf diese Sonderform des Wasserspringens spezialisiert hatten. Seit die Sportart jedoch im Jahre 2000 olympisch geworden ist, haben viele Nationen aufgeholt. Besonders die Chinesinnen haben sich zu den härtesten Konkurrenten der Deutschen entwickelt. Trotzdem sind Kotzian und Schmalfuß optimistisch: „Wenn nichts schief geht, sollte eine Medaille drin sein.“

CATHLEEN ROST