: Einheitsfront gegen S-Bahn
Die bislang streitenden Finanz- und Verkehrsverwaltungen legen neue Linie fest: S-Bahn-Forderungen anerkennen, aber ab Oktober fast ein Drittel der Zuschüsse streichen. Streckenstilllegung droht
von STEFAN ALBERTI
Bahnfahrern droht weiterhin eine Streckenstilllegung bei der S-Bahn. Der Senat akzeptierte zwar jetzt Nachzahlungsforderungen der S-Bahn GmbH. Ab Oktober aber soll gelten, was Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schon im Juni versuchte: Für ihr Angebot soll das Bahnunternehmen monatlich statt 18,9 nur noch 13,5 Millionen Euro erhalten, fast ein Drittel weniger als bisher. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), der Sarrazins Kürzung zuvor als „Nacht-und-Nebel-Aktion“ kritisierte, steht jetzt an der Seite seines Kollegen. „Wir sind der Meinung, wir zahlen zu viel“, sagt seine Sprecherin.
S-Bahn-Insider ließen schon im Juli durchblicken, dass man bei einer derartigen Kürzung Teilstrecken aufgeben müsste. Offiziell hält sich das Unternehmen, eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Bahn, dazu zwar bedeckt. „Das kommentiere ich nicht“, sagt ihr Sprecher Ingo Priegnitz. Unter der Hand heißt es aber, nur mit einem ausgedünnten Fahrplan lasse sich eine Kürzung nicht auffangen. Sparen könne man nur, wenn man ganze Abschnitte samt Bahnhöfen und Personal aufgebe. Auf der Kippe sind dann angeblich die Wannseebahn ab Schöneberg und das Südende der S 25 ab Priesterweg.
Der verkehrspolitische Sprecher und parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, kritisierte die Senatslinie. Willkürlich festgelegt sei die Kürzungssumme. Man könne zwar wie Strieders Senatsverwaltung behaupten, die S-Bahn könne das derzeitige Streckenangebot auch für weniger Geld liefern. Allein: „Ich habe dafür noch keine Belege gesehen.“ Gaebler schlägt einen anderen Weg vor: „Ich hielte es für seriöser, bis Jahresende weiter voll zu zahlen“ – allerdings verbunden mit der Drohung, danach gar nichts mehr zu überweisen. Das soll Druck auf die S-Bahn ausüben, einen neuen Verkehrsvertrag mit dem Land zu schließen.
Ein solcher Vertrag regelt Leistungen und Preise, ist aber schon Ende 2001 ausgelaufen. Seither zahlt das Land auf Grundlage einer Zwischenvereinbarung. Weil die geringerwertig sei, sieht der Senat die juristische Handhabe, die Bezahlung einseitig ändern zu können – wenn das Monate zuvor angekündigt wird. Das sei im Juli geschehen.
Bei der S-Bahn wusste man von der jüngsten Entwicklung im Streit um die Zahlung offiziell noch gar nichts. „Wir sind davon nicht informiert worden“, sagt Sprecher Priegnitz.
Die Opposition im Abgeordnetenhaus unterstützt zwar die Senatslinie, von der S-Bahn mehr Transparenz bei ihren Kosten zu fordern. Eine rigorose und „jeglicher Vertragsgrundlage entbehrende“ Kürzung lehne man aber ab, sagt FDP-Verkehrspolitiker Klaus-Peter von Lüdecke. Gleiches gelte für den Versuch der S-Bahn, „ihre Forderungen im Wege erpresserischer Linieneinstellungen durchzusetzen“. Grünen-Haushälter Oliver Schruoffeneger spricht sich zwar auch für erhebliche Kürzungen aus. Das solle aber ein neuer Vertrag regeln. Einseitige Änderungen hält er für rechtlich fragwürdig. Die S-Bahn könne auch für weniger Geld ihr Angebot aufrecht halten, wenn sie nicht allein zu überteuerten Preisen mit ihrer Mutter, der Deutschen Bahn, zusammenarbeitet. Der Streit droht zu dauern: Wann der neue Verkehrsvertrag unterschrieben ist, mochten die Beteiligten gestern nicht einmal schätzen.