: Für ein bisschen Frieden
10 Millionen Euro zahlt Bremen an die Gemeinde Loxstedt, damit die ihre Einwände gegen das CT IV zurückzieht – die ein vom Senat bestelltes Rechtsgutachten ohnehin für unhaltbar erklärt hatte
„Für finanzielle Forderungen der Gemeinde Loxstedt sehen wir keine Grundlage.“ So steht es in einem internen Rechtsgutachten, das der Bremer Senat im Zusammenhang mit dem Bau des Containerterminals CT IV am Nordende Bremerhavens in Auftrag gegeben hat. Die niedersächsische Gemeinde, südöstlich Bremerhavens gelegen, hatte Einwände gegen die Bremer Hafenpläne erhoben. Einwände, die nach Ansicht der Bremer Gutachter jeglicher Grundlage entbehrten. Bremen nahm sie trotzdem ernst – und zahlte 10 Millionen Euro Entschädigung.
„Das ist grob fahrlässig gegenüber den Steuerzahlern“, schimpft Peter Lehmann, hafenpolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Er kündigte eine parlamentarische Anfrage zu den Vorgängen an.
Anlass der Millionenspritze aus dem Bremer Stadtsäckel für die 16.000-Einwohner-Gemeinde sind die Ausgleichsflächen, auf denen die Naturzerstörung durch das neue Containerterminal kompensiert werden soll. Diese liegen auf der Luneplate – bis vor kurzem noch Loxstedter Gemeindegebiet.
Loxstedt sah sich dadurch in seiner eigenen Planungshoheit eingeschränkt. Eine aussichtslose Argumentation, wie die Gutachter dem Bremer Senat ausdrücklich bestätigten: Denn die Zeiten, in denen die über 1.000 Hektar große Luneplate noch als Industriestandort mit eigenem Hafen im Gespräch war, seien längst passé, entsprechende Pläne „obsolet“: Teile des Feuchtgebiets würden schon seit Jahren als Ausgleichsfläche genutzt. Und hinter den übergeordneten Belangen des Hafens müssten die Loxstedter Partikularinteressen sowieso zurückstehen. Das einzige, wofür Loxstedt tatsächlich Geld verlangen könne, seien die 22 Hektar Grünland, welche die Gemeinde auf der Luneplate besitze und an Bremen verkaufe, schreiben die Gutachter. Jede darüber hinausgehende Zahlung Bremens, so das der taz vorliegende Dossier weiter, müsse „als Pflege der Nachbarschaft eingeordnet werden“.
Dem hochverschuldeten Bremen ist diese „Nachbarschaftspflege“ zehn Millionen Euro wert. „Wir wollten unter allen Umständen vermeiden, dass es zu einem Rechtsstreit kommt“, sagt Stefan Luft, Sprecher im Bremer Wirtschafts- und Häfen-Ressort, das die Verhandlungen mit Loxstedt leitete.
Selbst innerhalb des Senats war diese Haltung umstritten, wie interne Protokolle beweisen. Als „nicht vertretbar“ bezeichnete etwa das Umweltressort die geplante Millionenzahlung Bremens an die niedersächsische Gemeinde, „ein Rechtfertigungsgrund ist nicht gegeben“. Auf der gemeinsamen Kabinettssitzung von Bremen und Niedersachsen Ende 2003 stimmte CDU-Umweltsenator Jens Eckhoff beim Thema Luneplate mit Enthaltung – ein Affront gegenüber der CDU-geführten Landesregierung in Niedersachsen.
Dort saßen indes offenkundig die besseren Verhandler. Denn abgesehen von der Entschädigung für Nichts, die Bremen an Loxstedt zahlen sollte, wollte auch das Land Niedersachsen beim Verkauf seines Grünlandes seinen Schnitt machen. In den Kaufpreis von 15,5 Millionen Euro fanden die regionalwirtschaftlichen Vorteile, die Niedersachsen von einem florierenden CT IV haben wird, jedenfalls keinen Eingang. Bremen akzeptierte – und machte, das belegen die der taz vorliegenden Unterlagen, buchstäblich bis zur letzten Minute immer weitere Zugeständnisse: Die so genannte Entschädigungszahlung für Loxstedt wurde „aus psychologischen Gründen“ um eine dreiviertel Million Euro auf einen zweistelligen Millionenbetrag aufgestockt, die Hälfte des Geldes bereits bei Baubeginn überwiesen und nicht erst bei Inkrafttreten der Ländergrenzen-Änderung. Auch gegenüber Niedersachsen akzeptierte Bremen einen früheren Zahlungstermin – ein Zinsgewinn von über einer Million Euro für den Nachbarn.
Dem Vorschlag des Umweltressorts, nur über das zu verhandeln, was man für den Bau des CT IV tatsächlich benötige, nämlich 170 Hektar Ausgleichsflächen, erteilten bremenports, Häfenressort und Senatskanzlei eine Absage. Sie bestanden auf der „großen Lösung“, alles auf Rechnung des CT IV: Ankauf von 300 bis 400 Hektar Ausgleichsflächen sowie von 200 Hektar potenziellen Gewerbegebiets am Südrand Bremerhavens. Wird das tatsächlich erschlossen, ist übrigens eine Nachzahlung fällig: acht Millionen Euro waren im Gespräch.
Insbesondere bremenports, die zukünftige Betreiberin des Containerterminals, drängte darauf, die Forderungen zu schlucken und die Verhandlungen schnell abzuschließen. Für die Eile dürfte indes nicht nur der Bau-Zeitplan eine Rolle gespielt haben. Schon die Gutachter hatten das Häfenressort nämlich darauf hingewiesen, dass sich die Millionenzahlung an Loxstedt „– um es vorsichtig auszudrücken – haushaltsrechtlich kaum noch wird rechtfertigen lassen, wenn der Planfeststellungsbeschluss erlassen worden ist“. Soll heißen: Hätte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion die Baugenehmigung erteilt, bevor es zur Einigung gekommen wäre, dann wäre Loxstedt schlicht leer ausgegangen. Was sicher für Verstimmungen im nachbarschaftlichen Verhältnis geführt hätte. Armin Simon