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Archiv-Artikel

„Das ist eine Macht“

Schon zum Auftakt der ersten Berliner Montagsdemonstration gegen die Hartz-Reform kommen 10.000 auf den Alexanderplatz: Ältere, Gewerkschafter, die PDS und andere Sozialisten dabei

VON FELIX LEE

Es geht auch ohne vom DGB finanzierte Großbühne – das Berliner Bündnis Montagsdemo hat einen 3,5-Tonner gemietet, von dem aus die zentralen Reden geschwungen werden. Schon zu Beginn der Demo haben sich fast 10.000 Teilnehmer um die Lautsprecher des Wagens am Alexanderplatz geschart. Die Veranstalter sprechen gar von 15.000. Mit 10.000 hatten sie gerechnet. Damit haben die Massenproteste gegen Hartz IV nun auch die Hauptstadt erreicht. Der Protestzug zog vom Alexanderplatz über Berlins Prachtallee Unter den Linden, Friedrichstraße bis zur SPD-Zentrale am Halleschen Ufer nach Kreuzberg.

„Für die erste Montagsdemo in Berlin war das ein großer Erfolg“, sagte ein Vertreter vom „Berliner Sozialbündnis“. Zuvor hatten die Organisatoren noch befürchtet, dass im protestverwöhnten Berlin die Wut gegen die Arbeitsmarktreform nicht ganz so hoch kochen würde wie etwa in Leipzig oder Magdeburg, die in diesen Tagen die größten Demos seit 1989 erleben.

Nun aber drängeln sich hunderte am Stand der Initiative Soziales Berlin, um das Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten Senats zu unterschreiben. Keine 50 Meter weiter sammelt sich der Block der mitregierenden PDS, mittendrin der Kreisverband Lichtenberg mit seinem PDS-Mobil. Darauf prangt der Spruch: „Rote-karten-zeigen.de“. Auch die Transparente der Demonstranten üben sich in deutlicher Wortwahl: „Deutschland bewegt sich abwärts – Agenda 2010“, heißt es auf einem Plakat von Attac, das der 14-jährige Kai trägt.

Im Hintergrund singt die Band „Nümmes“ den leicht abgewandelten Ina-Deter-Hit „Neue Politiker braucht das Land“. Dazwischen ist unter den 10.000 immer wieder die Parole zu hören: „Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir“. Dabei war bei dem Vorbereitungstreffen vergangene Woche noch vereinbart worden, es bei der Parole „Weg mit Hartz IV“ zu belassen.

Sascha Kimpel vom Bündnis Montagsdemo sagte, dass die MLPD die Parole unabgesprochen in die Demo getragen habe. „Das wird Konsequenzen haben“, sagte Kimpel. Dennoch spricht er von einem großen Erfolg. Die vielen älteren Teilnehmer würden zeigen, dass der Protest aus der Mitte der Bevölkerung komme. Aber auch Gewerkschafter sind präsent, wie das Fahnenmeer von Ver.di, GEW und IG Metall zeigt. Vom Lautsprecherwagen ruft ein Mann: „Das ist eine Macht, wenn zeitgleich so viele Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gehen.“

Die Veranstalter glauben, dass am nächsten Montag bereits doppelt so viele durch Berlins Straßen ziehen werden. Von einer neuen sozialen Bewegung möchte Bewegungsforscher Dieter Rucht zwar noch nicht sprechen. Doch auch er rechnet damit, dass sich der Protest in den kommenden Wochen verstärken wird. „Der Dampf ist da, und der soll abgelassen werden, sagte der Professor vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung.