: Ami goes home
Weltweite Umstrukturierung der Truppen: US-Präsident George W. Bush kündigt Rückkehr von bis zu 70.000 US-Soldaten aus Europa und Asien in die Heimat an. Deutschland besonders betroffen
BERLIN/WASHINGTON afp/ap/taz ■ Der Abzug von US-Truppen aus Deutschland wird konkret: US-Präsident George W. Bush kündigte gestern Abend vor US-Veteranen in Cincinnati im Bundesstaat Ohio an, in den kommenden zehn Jahren würden 60.000 bis 70.000 US-Soldaten und rund 100.000 zivile Armeeangestellte und Familienangehörige aus Asien und Europa in die USA zurückgeholt werden. Es handelt sich um die größte Umstrukturierung von US-Truppen seit Ende des Kalten Krieges.
Die Welt habe sich verändert, und dem müsse die Stationierung der US-Truppen Rechnung tragen, so Bush zur Begründung. Noch immer sei ein Großteil der US-Truppen dort stationiert, wo die großen Kriege des 20. Jahrhunderts zu Ende gegangen seien. Doch die Bedrohung durch die Sowjetunion existiere nicht mehr, und so seien viele Standorte inzwischen überflüssig. Im Krieg gegen den Terror seien andere Fähigkeiten gefragt, zumal sich die technologische Fähigkeit, auch große Einsatzkräfte schnell an einen beliebigen Ort zu bringen, sehr verbessert habe, sagte Bush in einer Rede, die stark vom US-amerikanischen Wahlkampf geprägt war und in der er unter anderem erneut die Entscheidung für den Irakkrieg gegen alle Anwürfe verteidigte.
Die US-Regierung habe ihre Pläne mit der deutschen Seite besprochen, hatte zuvor US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, dabei hätten auch die deutschen Bedenken eine Rolle gespielt.
In Deutschland haben die Vereinigten Staaten etwa 74.000 Soldaten stationiert, hinzu kommen rund 100.000 Familienangehörige und Zivilangestellte. Presseberichten zufolge sollen davon bis zu 45.000 Soldaten größtenteils in die Heimat zurückkehren. Die New York Times hatte Anfang Juni berichtet, dass die Erste Infanteriedivision mit Standorten in Bayern sowie die Erste Panzerdivision in Hessen und Rheinland-Pfalz abgezogen werden sollen.
Rumsfeld sagte, die Bundesregierung habe Verständnis für den geplanten Abzug gezeigt, nicht zuletzt, weil sie selbst eine Umstrukturierung der Bundeswehr vornehme. Die USA würden auch künftig in Deutschland Soldaten stationiert haben, versicherte er. Rumsfeld zeigte sich zuversichtlich, dass Russland keine Einwände gegen die US-Pläne erheben werde. Moskau blicke besonders kritisch auf mögliche US-Truppen an seiner nördlichen Grenze im Baltikum, sagte Rumsfeld, Washington plane jedoch eine Reduzierung seiner Einheiten in Nordeuropa.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ging von einem Abbau etwa in Würzburg und Kitzingen aus. Stoiber sagte gestern in München: „Ich befürchte, dass Bayern sehr viele Soldaten verlieren wird.“
Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes betonte, die Bundesregierung habe mit den USA wegen der Umstrukturierung in ständigem Kontakt gestanden.
Grünen-Verteidigungsexperte Alexander Bonde sagte, es sei „folgerichtig, dass die Amerikaner die Konsequenz aus dem Ende des Kalten Krieges ziehen“. Es sei aber noch unklar, ob es zu Stilllegungen oder nur zu Verkleinerungen komme. Positiv sei, wenn endlich Klarheit bestehe. Dann könne die Bundeswehr mit ihrer Standort-Reduzierung möglicherweise „Rücksicht nehmen“.
Die Gemeinde Baumholder in Rheinland-Pfalz hofft für den Fall eines US-Truppenabzugs auf Ersatz durch Bundeswehreinheiten. Bürgermeister Volkmar Pees sagte gestern, bei einem Abzug der rund 5.500 Soldaten würden in der Region 600 deutsche Zivilbeschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren: „Wenn das nicht mehr ist, dann ist hier der Ofen aus.“
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