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Archiv-Artikel

Dunkle Flecken auf grünem Punkt

Bundesweite Durchsuchung von 120 Firmen der Entsorgungsbranche. Verdacht auf illegale Preisabsprachen bei der Entsorgung von Glas und Leichtverpackungen. Auf eine bundesweite Ausschreibung hin wurden von Anbietern zu hohe Preise genannt

aus Köln P. BEUCKER und F. ÜBERALL

Der Schlag kam unerwartet und war generalstabsmäßig geplant. Ob in Bochum, Darmstadt oder Chemnitz – quer durch die ganze Republik standen gestern Vormittag rund 300 Fahnder zeitgleich vor den Türen von 120 Firmen aus der Entsorgungsbranche. Der Verdacht der Ermittler: illegale Preisabsprachen zu Lasten des dualen Systems. Aus Justizkreisen war zu erfahren, dass auch Niederlassungen der Firma RWE-Umwelt durchsucht wurden. Das Unternehmen mit Sitz im rheinischen Viersen ist Nachfolger des skandalumwitterten Trienekens-Imperiums.

Nachdem bisher immer einzeln vor Ort verhandelt wurde, hatte das duale System im April eine bundesweite Ausschreibung gestartet. Unternehmen aus der ganzen Republik sollten für jeden der 400 Entsorgungsbezirke ein Angebot machen, wie sie Glas und Leichtverpackungen kostengünstig einsammeln könnten. „Das Ergebnis der Ausschreibung entspricht nicht dem, was unter Wettbewerbsbedingungen zu erwarten gewesen wäre“, gab nun das Bundeskartellamt in einer Erklärung bekannt. So sollen die Angebote, die beim dualen System eingingen, im Durchschnitt 70 Prozent teurer gewesen sein als die Durchschnittspreise des jeweils preisgünstigsten Anbieters.

„Es geht um Ausschreibungsbetrug“, erläuterte die Kölner Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt der taz. Ihre Behörde ist zuständig, weil die Zentrale des grünen Punkts in Köln-Porz liegt. Daher würden alle strafbaren Aspekte von der Staatsanwaltschaft in der Domstadt bearbeitet, die Bonner Kartellbehörde sei für mögliche Ordnungswidrigkeiten im gleichen Verfahren zuständig, erläuterte Appenrodt.

Das Prinzip soll ganz einfach gewesen sein: In der Hälfte der Entsorgungsbezirke habe es jeweils nur einen Bieter gegeben – in vielen Fällen nur denjenigen, der auch vorher bereits die Entsorgung für das duale System machte. Potenzielle Konkurrenten verzichten hingegen auf ein eigenes Angebot. Denn die Firmen sollen die Gebiete vorher unter sich aufgeteilt und die Preise abgesprochen haben. Zudem hätten mittelständische Unternehmen auf einzelne Firmen „gezielt Druck aufgeübt“, indem sie Sortier-Kapazitäten verweigerten. Auf diese Weise sollten Firmen, die nicht am Kartell beteiligt waren, daran gehindert werden, eigene Angebote abzugeben.

Beim dualen System war man von der Aktion überrascht. „Wir haben das Kartellamt über die Angebote informiert. Die Auswertung, die die da vorgenommen haben, ist nicht unsere Sache“, sagte eine Firmensprecherin zur taz. Kartellamtspräsident Ulf Böge wandte sich am Donnerstag mit einer ungewöhnlichen Forderung an die Öffentlichkeit. Im Interesse der ehrlichen Entsorgungsunternehmen sollten diese notfalls vertraulich Informationen über die Absprachepraxis den Behörden zur Verfügung stellen: „Sie können damit verhindern, dass Kartellanten ihre wettbewerbswidrig erlangten Gewinne gegen gesetzestreue Wettbewerber einsetzen.“