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Archiv-Artikel

Ein Vorbild für Frieden im Sudan

Sudans Nuba-Berge, über Jahrzehnte eines der am schwersten umkämpften Kriegsgebiete des Landes, sind heute friedlich. Regierung und SPLA-Rebellen arbeiten zusammen unter Aufsicht internationaler Beobachter – ein Modell auch für Darfur?

AUS DEN NUBA-BERGENTOM SPIELBUECHLER

„Die Situation in den Nuba-Bergen war früher so schlimm wie in Darfur heute!“ Der britische Oberst Bill Prior ist stolz auf sein Werk: Er leitet als Stabschef eine Überwachungsmission für ein altes Bürgerkriegsgebiet des Sudan. Seit Aufnahme ihrer Arbeit im Januar 2002 ist es zu keinen ernsthaften Zwischenfällen mehr gekommen – in einer Region, die während des jahrzehntelangen Krieges im Südsudan mit am meisten gelitten hat.

Gemeinsam patrouillieren sudanesische Regierungsvertreter, Repräsentanten der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudan People’s Liberation Army) und internationale Beobachter durch die Dörfer, überwachen militärische Bewegungen und unterstützen Kontakte über die ehemaligen Frontlinien. Die Leitung der Beobachterteams hat eine neunköpfige „Gemeinsame Militärkommission“ (JMC) mit jeweils drei Vertretern dieser drei Parteien unter Vorsitz des norwegischen Generals Jan Erik Wilhelmsen mit dem Briten Prior an seiner Seite. Von allen Seiten wird Wilhelmsen enormes Engagement zugesprochen.

Die Nuba-Berge, ein Gebiet von der Größe Österreichs, waren zwischen Sudans Regierung und der nach Autonomie für Südsudan strebenden SPLA besonders heftig umkämpft, und in den jahrelangen Friedensverhandlungen war die Frage seiner Zugehörigkeit zum Südsudan besonders heftig umstritten, da es außerhalb der Grenzen des Südens liegt, sich aber diesem zugehörig fühlt. Der seit 2002 geltende Waffenstillstand in den Nuba-Bergen und seine internationale Überwachung ist Testfall für den Frieden im Südsudan – die Unterzeichnung des bereits ausgehandelten Abkommens dafür steht noch aus. Und vielleicht können die Nuba-Berge auch für Darfur als Modell dienen.

Entsprechend hoch ist die Verantwortung der Waffenstillstandskommission. Sie muss nicht nur die Feuerpause überwachen, sondern ist für alle Sicherheitsfragen zuständig. Es gibt eine gemeinsame Polizei der früheren Kriegsgegner und eine offiziell gemeinsame Militärtruppe aus jeweils 3.000 Mann der Konfliktparteien, deren Einheiten aber bisher noch getrennt sind. Bis zu freien Wahlen, die 2007 geplant sind, stellt die Regierung 55 Prozent der zivilen Autoritäten, die SPLA den Rest. Der Gouverneursposten wird zeitlich geteilt, die jeweils andere Partei stellt den Vizegouverneur. Nichtmuslime sind von den Bestimmungen des islamischen Scharia-Rechts ausgenommen.

Wenn die Beobachter durch die Region fahren, ähneln sich die Beschwerden der Menschen überall: Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und illegale Festnahmen – manchmal auch Skurriles: Man hat mein Vieh gestohlen! Und zwar waren es die Engländer, vor 50 Jahren. Die seriöseren Beschwerden werden an die JMC weitergeleitet.

Die Beobachter im Jeep können sich frei bewegen und werden überall als Garanten des Friedens begrüßt. Deutlich wird das Vertrauen der Menschen durch die Rückkehr von bisher über 150.000 Flüchtlingen in die Nuba-Berge, die nun auch wieder für humanitäre Hilfsorganisationen zugänglich sind.

Möglich ist der Erfolg dieses Modells nur, so sind sich alle Beteiligten einig, durch die aktive Mitarbeit beider Konfliktparteien. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass Offiziere, deren Truppen sich jahrelang direkt feindlich gegenüberstanden, plötzlich zusammen im Jeep auf Patrouille sind. Probleme ergeben sich daraus aber nicht, behaupten sie. „Es gibt zwar verschiedene Meinungen, aber wir respektieren einander“, sind sich SPLA-Leutnant Hassan Almasha und Juwaj Biar, sein Pendant auf Regierungsseite, einig. „Die Menschen wollen Frieden.“

Wozu braucht man überhaupt Beobachter, wenn die Menschen Frieden wollen? „Die Gefahr geht von Einzelnen aus“, sagt Almasha. „Viele haben ihre gesamte Familie im Krieg verloren. Hass bestimmt ihr Leben. Darauf gilt es zu achten.“ Der Einsatz der JMC-Beobachter – insgesamt 76 Personen, von denen 34 aus dem Sudan kommen – hilft in diesem Zusammenhang.

Sorge habe man auf SPLA-Seite, so Leutnant Almasha, vor der Zeit nach einem Rückzug der JMC. „Wie wird dann das plötzliche Machtvakuum aufgefüllt?“ fragt er. Die bevorstehende Unterzeichnung des Südsudan-Friedensvertrages wird den separaten Waffenstillstand in den Nuba-Bergen durch eine globale Regelung ersetzen. Dann ist auch die Zeit der JMC-Beobachter vorbei. Stattdessen ist eine UN-Blauhelmmission geplant. Die JMC wird man vermissen.