Die Schlacht ist geschlagen

Am Dienstag endeten in Stockholm die Verhandlungen im Prozess um die Filesharing-Seite „Pirate Bay“. Ein Urteil steht noch aus. Die Rechtslage ist kompliziert, doch der moralische Sieger steht fest

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Mit den Plädoyers der Verteidigung endeten am Dienstag die Verhandlungen im Stockholmer „Pirate Bay“-Prozess. Dabei bestritten die Anwälte der vier Angeklagten die Schadenersatzforderungen der Musik-, Film- und Spielbranche als unbegründet.

Auch strafrechtlich gebe es keine Handhabe gegen ihre Mandanten. Das bloße Bereitstellen von Torrent-Files auf einer Internetseite erfülle nicht den Tatbestand einer Beihilfe zum Bruch des Urheberrechts.

Das mit einem Berufsrichter und drei Schöffen besetzte Gericht dürfte sich einige Wochen Zeit nehmen für seine Entscheidung. Und ihr Urteil gilt noch als völlig offen. Beim Prozess war es ja nicht um die gesamten Aktivitäten des BitTorrent-Trackers gegangen, sondern nur um ausgewählte 33 Musikalben, Filme und Computerspiele, für welche auf „Pirate Bay“ zum Zeitpunkt einer Polizeirazzia im Frühjahr 2006 Torrents bereitgehalten worden waren.

Verletzte Urheberrechte

Die Userinnen und User, die mithilfe dieser Torrents Material heruntergeladen hatten, sind nicht bekannt. Ob allein die Bereitstellung eines Torrent-Files an sich als mögliche Beihilfe zu einer Urheberrechtsverletzung strafbar ist, ist eine in Schweden bislang höchstrichterlich nicht entschiedene juristische Frage.

Ein Kommentator verglich den Versuch, eine solche Handlung strafbar machen zu wollen, mit der totalitären Zukunftsvision Steven Spielbergs im Film „Minority Report“, wo eine „Precrime Squad“ Straftaten verhindern will, bevor sie begangen werden.

Unabhängig von der Entscheidung des Stockholmer Amtsgerichts dürfte diese Rechtsfrage vermutlich alle Instanzen des schwedischen Justizsystems bis zum Obersten Gerichtshof beschäftigen. Das kann vier bis fünf Jahre dauern.

Dass die Rechtslage in Schweden so unklar ist, dürfte auch auf das Strafmaß Einfluss haben: Selbst wenn die Richter die „Pirate Bay“-Macher schuldig sprechen sollten, rechnen Beobachter nicht mit Haftstrafen, wie sie die Staatsanwaltschaft fordert.

Die Verteidigung ging trotzdem auf Nummer sicher und beantragte vorsorglich noch die Einholung einer Stellungnahme des EU-Gerichts in Luxemburg. Es geht um die Auslegung der EU-Richtlinie 2000/31 über „rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft“ und die Frage, ob diese in Bezug auf „Pirate Bay“ wirksam ist.

Nach dieser Richtlinie ist bei einem Dienst, der darin besteht, „von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich“.

Da „Pirate Bay“ aber keine direkten Downloads anbietet, besteht nach Meinung der Verteidigung dank dieser Richtlinie keine strafrechtliche Verantwortung ihrer Mandanten für die Inhalte hinter den BitTorrents.

Interessant wird sein, wie das Gericht mit dem politischen Druck umgeht. Der schwedischen Regierung wird vorgeworfen, sich unzulässig in das Verfahren eingemischt und auf eine Anklage gegen „Pirate Bay“ gedrängt zu haben. Obwohl die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Prozess mangels Tatverdacht als wenig aussichtsreich abgelehnt hatte.

Was sagt Straßburg dazu?

Die Musik- und Filmbranche schaffte es darüber hinaus, das Europaparlament für sich einzuspannen. Dessen Rechtsausschuss hat in seinem „Medina-Rapport“ (2008/2121 INI), der am 12. März im Plenum behandelt werden soll, die Regierungen von Mitgliedstaaten aufgefordert, gegen „Webseiten im Internet, die illegal Werke verbreiten (z. B. ‚Pirate Bay‘)“ vorzugehen.

Dass der Rechtsausschuss „Pirate Bay“ wörtlich nennt, obwohl es noch keine Urteile gegen die Website gibt, ist ungewöhnlich – und ignoriert die Unabhängigkeit der Gerichte. Selbst Schwedens Justizministerin Beatrice Ask bezeichnete deshalb diesen Vorstoß des EU-Parlaments als „ausgesprochen fragwürdig“.

Ginge es nach den schwedischen Medien, brauchten sich die Angeklagten keine Sorgen zu machen. Im Laufe der Verhandlungen verschoben sich die Sympathien der Medien mehr und mehr auf die Seite der „Piraten“ – und die Berichterstattung nimmt hier sehr großen Raum ein. Eine erste Untersuchung zeigte, dass sieben von acht Beiträgen positiv oder neutral über die Angeklagten berichten. „Die Schlacht um die öffentliche Meinung haben wir verloren“, konstatierte unumwunden ein PR-Berater der Musikbranche.