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Archiv-Artikel

Vermögen verteilen – nicht zerreißen

Mediation kann bei unklaren Erbschaftsangelegenheiten helfen, eine für alle Beteiligten zufrieden stellende Lösung zu finden. Sie kann die Nachfolgeregelung zu Lebzeiten begleiten, aber auch helfen, bereits verfahrene Konflikte aufzuweichen

In rund 80 Prozent der deutschen Familien ist die Vermögensnachfolge nicht geregelt – und das durchaus auch in solchen, die über ein erhebliches Vermögen verfügen. Wenn aber kein Testament vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Das Vermögen, das zum Beispiel aus Wertpapierdepots, Immobilien und vielleicht auch Anteilen an einem Unternehmen besteht, fällt in den Besitz der Erbengemeinschaft, die dann versuchen muss, das Erbe untereinander gerecht zu verteilen.

Häufig entstehen dabei Konflikte, weil man sich nicht über die Bewertung der einzelnen Nachlassgegenstände einigen kann. Diese Streitigkeiten verhindern manchmal jahrelang die Teilung des Nachlasses und führen unter Umständen zu erheblichen Vermögensschäden, weil notwendige Kauf- oder Verkaufsentscheidungen nicht vollzogen werden können, also etwa in einer Situation fallender Kurse nicht schnell genug die Aktienbestände reduziert werden oder einer der Erben im schlechtesten Fall alle Entscheidungen blockiert. Dies gilt umso mehr, wenn es um die Nachfolgeregelungen bei Unternehmen geht. Nach einer Schätzung der EU ist jede zehnte Insolvenz eine Folge mangelnder Nachfolgeregelungen.

In den USA bereits seit langem etabliert, beginnt sich in Deutschland erst langsam ein spezieller Bereich der Mediation, die Wirtschaftsmediation, durchzusetzen. Gegenüber anderen Modellen zur Konfliktlösung wird im Mediationsverfahren durch einen neutralen Moderator ein kreativer und selbstverantwortlicher Prozess zwischen den Konfliktparteien gestaltet, bei dem „Win-Win-Lösungen“ angestrebt werden, also Lösungen, die sich an den gemeinsamen, übergeordneten und oft langfristigen Interessen orientieren. Als einen besonders delikaten Bereich der Wirtschaftsmediation beschreibt Bernd M. Wittschier, Experte für Wirtschaftsmediation und Leiter eines Ausbildungsinstituts, die mediatorische Vermittlung in Erbschafts- und Nachfolge-Konflikten, weil es mehr noch als in anderen wirtschaftsnahen Konflikten auf Grund der familiären Verflechtung der Parteien um sehr tief greifende emotionale Auseinandersetzungen geht. Es seien in der Regel familientypische Konflikte, um die sich solche Auseinandersetzungen drehen, so Sandra Walzberger, Anwältin und Mediatorin und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft (DGMW).

Zum einen geht es um Fragen der Gerechtigkeit zwischen den Geschwistern, häufig auch darum, dass Eltern ihren Kindern ihre eigenen Werte und Normen in Fragen der Lebensgestaltung aufzwingen möchten, oder auch um die Angst der Eltern, wer sich denn im Alter um sie kümmern werde. Typisch sei es, dass häufig eines der Familienmitglieder die scheinbar nahe liegende und sinnvolle Regelung verhindere, allerdings bei näherem Hinschauen mit guten Gründen. Alles das hat natürlich nichts mit irgendwelchen juristischen, steuerrechtlichen oder finanziellen Fragen zu tun, kann auch nicht juristisch geregelt werden, blockiert aber auf der anderen Seite eine vernünftige und sachlich angemessene Regelung der Vermögensnachfolge.

Auch im Bereich der Unternehmensnachfolge sind die Auseinandersetzungen zwischen den Eltern und ihren Kindern normale Generationskonflikte. Hier gehe es, so Bernd Wittschier, häufig um Differenzen bezogen auf die unternehmerische Strategie. Während die Junioren oder Juniorinnen neue Wege gehen wollen, bestehen die Alten darauf, dass alles so weitergemacht wird, wie sie es und in der Regel ja auch erfolgreich jahrzehntelang taten. Dahinter stehe immer die Schwierigkeit, nicht abtreten zu können, die fehlende Bereitschaft, Platz zu machen für die nächste Generation.

Was kann nun der Mediator in solchen Konflikten leisten? Es geht vor allem darum, Entscheidungsspielräume zu erweitern. Mediation kann dabei sowohl die Nachfolgeregelung zu Lebzeiten des Erblassers begleiten als auch im Nachhinein helfen, wieder Bewegung in bereits verfahrene und verhärtete Konfliktsituationen zu bringen. Sandra Walzberger betont dabei die Doppelqualifikation rechtsanwaltlicher Mediatoren, die nicht nur den Kommunikationsprozess kompetent steuern, sondern gleichzeitig auch die gesetzlichen Spielregeln kennen, also etwa einschätzen können, ob eine gewünschte Regelung auch tatsächlich rechtlich herbeigeführt und umgesetzt werden kann.

Wittschier hingegen sieht den Mediator vor allem als Spezialisten für die emotionale und psychologische Ebene von Konflikten. Als Profi im Umgang mit speziellen kommunikativen und mediatorischen Techniken kann er dazu beitragen, in Konflikten, die in aller Regel emotional begründet sind, eine Verständigung zwischen den Generationen herzustellen. Ist diese Basis geschaffen, so Wittschier, sei die Regelung der steuerlichen, betriebswirtschaftlichen und finanziellen Fragen ein Kinderspiel. BIRGIT BOSOLD

www.432gmbh.de; www.dgmw.deEine Veranstaltung mit Sandra Walzberger findet am 22. Oktober um 19 Uhr statt (Kosten: zehn Euro). Ort: Eurenta Private Consulting, Ansbacher Str. 17–19, 10777 Berlin, Anmeldung unter Telefon (0 30) 89 04 19-19.