: Berlusconi und die „wohlwollende Diktatur“
Empörung in Italien über freundliche Äußerungen zu Mussolini. Die Demokratie hält der Premier für „byzantinisch“
ROM taz ■ Empörung hat Silvio Berlusconi bei der Opposition, bei den Jüdischen Gemeinden und bei den linksliberalen Medien des Landes mit seinen ausgesprochen freundlichen Urteilen über Mussolini ausgelöst. Die britische Wochenzeitung Spectator veröffentlichte jetzt den zweiten Teil eines von Berlusconi Ende August gewährten Interviews. Italiens Regierungschef antwortet darin auf die Frage, ob ein Vergleich zwischen dem Irak Saddams und dem Italien Mussolinis möglich sei, Mussolini habe doch bloß eine „wohlwollende Diktatur“ errichtet; der Duce habe „nie jemanden umgebracht“, und die Regimegegner habe er bloß „in die Ferien in der Verbannung geschickt“.
Zugleich ließ Berlusconi auch noch wissen, wie unwohl er sich mit den „byzantinischen“ Mechanismen der Demokratie fühlt: „Für jemanden, der nicht aus der Politik kommt, stellt es ein großes Opfer dar, sich an die Institutionen der Politik anzupassen. Für mich ist es ein Minus, dass ich nicht mit der Freiheit des Unternehmers agieren kann. Beim Unternehmer gibt es zwischen Entschluss und Realisierung eine direkte Linie.“ Eben wie beim Duce.
In einer Pressekonferenz am Donnerstag reichte Berlusconi dann Erläuterungen nach, die alles andere als ein Dementi darstellen. Er habe bloß „als wahrer Italiener“ den Vergleich „zwischen Mussolini und meinem Land“ einerseits, andererseits „einem anderen Diktator und einer anderen Diktatur nicht akzeptiert“. Von der Linken lasse er sich schon gar nicht belehren.
Derweil rechnen die Oppositionsparteien dem frisch geouteten Duce-Fan vor, dass Mussolini sehr wohl eine breite Blutspur durchs Land gezogen hat, von den Tausenden Opfern der „Kampfzeit“ des Faschismus bis 1922 über die Opfer des Gaskriegs in Äthiopien bis zur Mithilfe bei der Deportierung von 10.000 Juden und den Massakern im Krieg gegen die Partisanen 1943 bis 45.
Die Oppositionsparteien erklärten gemeinsam, Berlusconi sei „nicht würdig, eine Demokratie zu repräsentieren, die im Kampf gegen den Faschismus geboren wurde“. Applaus erhielt der Premier dagegen nur von seinen Parteifreunden aus der Forza Italia. Selbst die Koalitionspartner von der exfaschistischen Alleanza Nazionale reagierten voller Verlegenheit („hoffentlich ein Missverständnis“), während die christdemokratische UDC salomonisch den „antifaschistischen Grundkonsens“ der Demokraten beschwört, den Berlusconi gerade aufgekündigt hat.
MICHAEL BRAUN