: SPD plant sozialen Absturz ein
Zur Schaffung neuer Arbeitsplätze setzt Nordrhein-Westfalens SPD-Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau allein auf die Konjunktur. Hartz will er trotzdem nachbessern – auch gegen Schröder
AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA
Nordrhein-Westfalens SPD-Vorsitzender Harald Schartau sieht die Wirtschaft des größten Bundeslandes wieder auf Erfolgskurs. „Der seit Herbst 2003 zu beobachtende Aufwärtstrend setzt sich fort“, so Schartau gestern in Düsseldorf. Im gesamten verarbeitenden Gewerbe sei der Umsatz im Vergleich zum Vormonat um 15,4 Prozent gestiegen, in einzelnen Branchen wie der Metallerzeugung sogar um 36,8 Prozent. Auch habe sich das Gründungsklima verbessert: Die Zahl der Pleiten fiel innerhalb eines Jahres um 11,6 Prozent. „Überhaupt keine Entspannung“ sieht der Minister dagegen auf dem Ausbildungsmarkt: NRW-weit fehlen noch immer rund 22.000 Lehrstellen.
Die „Archillesferse des Aufschwungs“ bleibt aber die schwache Binnennachfrage, musste Schartau einräumen. Trotz massiver Verunsicherung breiter Bevölkerungsschichten und der daraus folgenden Konsumverweigerung steht der Minister aber grundsätzlich zu den Hartz-Gesetzen, will im Einzelfall jedoch nachbessern: „Blanker Schwachsinn“ seien Überlegungen, ältere schwer vermittelbare Arbeitslose, die nach Absprache mit den Arbeitsagenturen auf Jobangebote verzichteten und dafür bis zur Rente die volle Arbeitslosenhilfe beziehen sollten, jetzt doch wieder in den Arbeitsmarkt vermitteln zu wollen. Die bis zu 75.000 Menschen in NRW, die von dieser Regelung Gebrauch gemacht haben und älter als 58 sind, bräuchten „Vertrauensschutz“, findet Schartau. Bundeskanzler Gerhard Schröder lehnt weitere Nachbesserungen dagegen ab: Hartz werde „planmäßig und ohne weitere Veränderung umgesetzt“, sagte der SPD-Bundesvorsitzende gestern in Berlin.
SPD-Landeschef Schartau setzt im Angesicht der Kommunal- und Landtagswahlen dagegen seine Doppelstrategie fort: „Niemand sollte denken, dass sich an den Grundsätzen von Hartz IV noch etwas ändert.“ Die wachsenden Anti-Hartz-Montagsdemonstrationen nehme er aber „ernst“. Überhaupt sei die Diskussion zu verhärtet: „Wir müssen Zuspitzungen verhindern, wo der eine sagt, hier wird nichts mehr verändert“, kritisierte der Wirtschafts- und Arbeitsminister leise sein Pendant auf der Bundesebene, den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD).
Offiziell aber steht Schartau felsenfest zu Schröders und Clements Politik des Sozialabbaus: Nie sei es Ziel der SPD gewesen, Menschen, die einen gewissen ökonomischen Standard erreicht hätten, vor dem Absturz in die Sozialhilfe zu bewahren. „Dieser sozialpolitische Konsens war ein Fehler der Vergangenheit“, so Schartau vor der Landespressekonferenz. „Wir müssen den Menschen sagen, dass ihnen etwas passieren kann – auch Existenzbedrohendes.“