Polizeiproteste : Brave „Bullen“ als arme Schweine?
Die taz, Freund und Helfer beim Kampf der Polizei um mehr Planstellen und weniger Besoldungskürzungen? Journalistisch mitmarschieren beim Protest der Polizeigewerkschaften, der auch auf der Prämisse fußt, allein mehr Beamte und Repression würden die Kriminalität eindämmen – eine für die traditionell polizeikritische taz ungewohnte Marschrichtung.
Kommentar von Marco Carini
Deshalb im Klartext: Solidarität, auch bei uns, mit den Arbeitnehmer-Interessen der Beamten, die mehr als andere Berufsgruppen zur Kasse gebeten werden. Beistand, wenn es darum geht, zu verhindern, dass gering verdienende Polizisten weiter geschröpft werden und ihre Arbeitsbelastung erhöht wird, um im Gegenzug Stellen abzubauen und Arbeitslosigkeit zu manifestieren. Auch „Bullen“ sind manchmal nur arme Schweine.
Widerspruch aber, wenn die polizeiliche Stellenausstattung tabuisiert, mehr Polizei von den Gewerkschaften zum Allheilmittel für Hamburger Probleme hochgejubelt wird. Publizistischer Widerstand da, wo nicht mehr darüber geredet wird, wie der Kahlschlag bei den Sozialleistungen und Hilfsangeboten – von der Drogenhilfe über die Hilfen zur Erziehung bis hin zum Zweiten Arbeitsmarkt – ausgrenzend und damit auch kriminalitätsfördernd wirkt.
Die Prognose der Polizeigewerkschaften, durch eine aus Hartz IV resultierende Verelendung werde auf die Beamten massive Mehrarbeit zukommen, ist richtig. Ihre Schlussfolgerung aber falsch. Zunehmende hausgemachte soziale Verwerfungen, mit immer mehr Polizei und Repression zu bekämpfen, führt in die Sackgasse. Geld wird vor allem da gebraucht – und zur Zeit eingespart – wo mangels individueller Perspektiven, Drogenkonsum, Gewalt und Kriminalität entsteht. Nicht bei der Polizei.