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Archiv-Artikel

Im Strudel der Ereignisse

Aufregung herrscht über die so genannte Dienstwagenaffäre der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) – aus allerdings sehr fragwürdigen Gründen

Bremen taz ■ „Ach, die Dienstwagen bei den Bremer Entsorgungsbetrieben– das sind doch Peanuts“, blickt mancher Abgeordnete im 4-Augen-Gespräch heute eher lässig auf die Schlagzeilen über „acht Luxuslimousinen“ bei den BEB zurück. Der Schaden pro Wagen belaufe sich vielleicht auf 2.000 Euro, die bei den BEB und beim Finanzsenator hängen blieben. Die „Sache mit den Leistungsprämien“, die angeblich relativ großzügig an BEB-MitarbeiterInnen vergeben wurden, sei da wohl „heißer“. Die Bremer Entsorgungsbetriebe stehen unter Druck. Der Verdacht: Der städtische Eigenbetrieb missachtet Vorgaben und Gesetze, so dass Beschäftigte es besser haben als das öffentliche Dienstrecht erlaubt.

Ein Rückblick: Die Wirtschaftsprüfung ist noch nicht abgeschlossen, doch schon steht fest, dass die BEB die Landeshaushaltsordnung missachtet haben. Die regelt die „Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen“ – allerdings erst seit April 2004. Da aber wurden die ersten Schlagzeilen über dicke Dienstautos für die mittlere Führungsebene der BEB schon gedruckt.

Die interne Verteidigungsrede des bedrängten BEB-Chefs wurde bislang nicht bestätigt. Der Mann hatte argumentiert, dank günstiger Rabatte beim Autoeinkauf bringe der Weiterverkauf von Dienstwagen den BEB sogar Geld. Stattdessen kochte die Empörung über die Dienstwagenfahrerei von acht Bereichsleitern hoch. Von Gehaltsaufbesserung per Naturalien und einem Verstoß gegen den Angestelltentarif war die Rede. Die Wagen sind inzwischen verkauft, die Aufsichtsbehörde lässt ermitteln. Dabei waren ihr seit Mai 2002 die Autogeschäfte bekannt. Entsprechende Dokumente liegen der taz vor.

Gegen den seit 28. Juli suspendierten BEB-Chef läuft unterdessen ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Der Anfangsverdacht lautet auf Untreue: Der 57-Jährige habe ihm anvertrautes Geld möglicherweise zum Nachteil des Unternehmens eingesetzt. Dies könnte die Dienstwagen wie die jüngst ins Gerede gekommene Zahlung von Leistungsprämien betreffen.

Dass Bremer Behörden Leistungsprämien immer wieder vorschriftswidrig zahlen, moniert der Rechnungshof in einem internen Berichtsentwurf (taz berichtete) mehrfach. Auch die BEB sind davon betroffen. So wurden hier Prämien gezahlt, um beispielsweise eine unterbliebene Höherstufung auszugleichen. Das ist verboten. Die BEB haben den Fehler bereits eingeräumt.

Der prämienbedachte BEB-Mitarbeiter hat Beamtenpech: Er ist noch zu jung, um nach Beamtenrecht als Personalchef entsprechend seiner tatsächlichen Funktion eingruppiert zu werden. Auf den Job war er gekommen, nachdem ein Vorgesetzter 1999 im Zuge der BEB-Ausgründungen zu einem privaten Abfallentsorger gewechselt war. Insider nennen es „Augenmaß“, dass die BEB-Betriebsleitung den Jüngeren zum Nachfolger machte, statt die Stelle neu auszuschreiben. Nun ermittelt in dieser Sache die Staatsanwaltschaft. Ebenso in zwei weiteren Fällen, in denen die BEB ein Versehen bei der Buchung geltend machen. Dies habe zum fehlerhaften Eintrag „Prämie“ geführt, doch handele es sich um reguläres Überstundenentgelt.

Darüber hinaus gab es Prämien an Angestellte, die in keinem Rechnungshofbericht auftauchen, weil die BEB ein internes Gehaltssystem haben. Insgesamt soll das Volumen aller bislang strittigen Prämien bei rund 100.000 Euro liegen. Mit Hinweis auf „das laufende Verfahren“ äußert das Umweltressort sich dazu nicht.

„Die BEB haben sich von einem Amt zu einem echten Dienstleister entwickelt“, verteidigt unterdessen Personalrats-Chefin Rita Gabele Prämien im Grundsatz. Die Belegschaft habe mit der Überleitung in einen Eigenbetrieb ganz neue Aufgaben übernommen. „Vielleicht kann man unserem Betriebsleiter vorwerfen, dass er gegenüber logischen Argumenten aufgeschlossen war“, erinnert sich Gabele an das „Bergfest“ auf der Mülldeponie vor zwei Jahren. „Das war ein Riesenerfolg in der Öffentlichkeit“ – aber eben auch ein „riesiger Zusatzaufwand“ für unzählige Beschäftigte. Mehr als die gesetzlich zulässigen zehn Prozent der Belegschaft hätten deshalb mit dem Segen des Personalrats Prämien erhalten.

Das Geld dafür stammte aus gewerblichen Einnahmen durch den „Grünen Punkt“ und aus den Müllgebühren an die BEB. Deren Chef ist schon früher mit dem Finanzsenator und dem Rechnungshof über die Auslegung des Eigenbetriebsgesetzes aneinander geraten – darüber, welche Kompetenzen der Chef eines Eigenbetriebes jenseits der Verordnungen des öffentlichen Dienstes haben muss, wenn er das Unternehmen wirtschaftlich führen soll. Dabei berief er sich stets auf das eigens für die BEB verfasste Entsorgungsbetriebsortsgesetz. Dies sichert der BEB-Betriebsleitung die Zuständigkeit für Personalangelegenheiten zu. Auf dieser Grundlage regelten die BEB bislang auch die Prämienvergabe, die für Angestellte im öffentlichen Dienst bis 2002 gar nicht vorgesehen war, die Unternehmen im Umbruch aber allenthalben zur Motivation einsetzen. Hier graben nun die Ermittler.

Dabei werden die BEB sich Fragen gefallen lassen müssen. Denn noch immer sind ihre Mitarbeiter Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Auch zahlt der Finanzsenator die Gehälter von acht Personen, für die der Eigenbetrieb keine Verwendung mehr hat. Dass andererseits die MVA-Gebühren zweimal gesenkt wurden und 2005 die Deponiegebühren zehn Prozent runter sollen, werten die BEB als Erfolg ihrer Unternehmensführung. Ebenso, dass die Bremer Müllgebühren zu den bundesweit niedrigsten zählen. Dafür habe man „die Ärmel aufgekrempelt“.

Was an den Vorwürfen und Ermittlungen strafrechtlich dran ist, weiß derzeit kaum jemand. Selbst Bürgerschaftsabgeordnete, die im BEB-Betriebsausschuss die Geschäfte kontrollieren sollen, stottern zu diesen Fragen nur herum. Erst am 26. August sollen Betriebsausschussmitglieder die Gelegenheit bekommen, die Sache am Rande der Umweltdeputation zu besprechen. Eine Sondersitzung des Eigenbetriebsausschusses sei „aus Termingründen“ nur am 21. September möglich, so das Ressort.

Der vorläufig suspendierte BEB-Chef will so lange offenbar nicht mehr warten. Dem Vernehmen nach hat er juristische Schritte eingeleitet. Inzwischen räumt die Umweltbehörde einen „Fehler im Verfahren“ ein, den man „nachbessern“ wolle: Der vorläufig Geschasste soll demnächst eine formgerechte schriftliche Begründung für seine Suspendierung erhalten.

Kritik melden auch Gewerkschafts- und Personalvertreter im Betriebsausschuss an: Die Art der Suspendierung des BEB-Chefs verstoße gegen das Eigenbetriebsgesetz: „Der Betriebsausschuss berät und beschließt über die Bestellung und die Abberufung von Betriebsleitern sowie alle ihr Anstellungsverhältnis berührenden Angelegenheiten.“ Dies sei nicht geschehen, beklagen die Personalvertreter außerdem einen Mangel an Informationen.

Dass der Chef die Ermittlungen hätte behindern wollen, bezweifelt unterdessen der Personalrat. Die interne Revision wurde sofort eingeschaltet, als bei der Dienstwagenbeschaffung Ungereimtheiten bekannt wurden. Sie betraf den Händel zwischen der Beschaffungsabteilung der BEB und dem damals noch für die BEB-Aufsicht zuständigen Abteilungsleiter im Umweltressort.

Der Mann, der bekanntermaßen zur Arbeit radelt, hatte sich selbst angezeigt, nachdem die „Dienstwagenaffäre“ erst in der Presse und dann im Betriebsausschuss Thema wurde. Dabei soll er eingeräumt haben, zwei große Autos zum Superrabatt vermeintlich für den Behördengebrauch, eigentlich aber privat bestellt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat dazu bislang kein Verfahren eröffnet.

Nach Untersuchungen der BEB-Revision soll dieser Mann einen untergeordneten Mitarbeiter in der Beschaffungsabteilung direkt aufgefordert haben, ihm die üblicherweise bei der BEB gelagerten Beschaffungsunterlagen auszuhändigen. Folgerichtig fehlten seine beiden Wagen auf der vom Betriebsausschuss zu Prüfzwecken angeforderten Liste sämtlicher von der BEB beschafften Autos.

Dieser Vorfall sei ausschlaggebend für die Suspendierung des Betriebs-Chefs gewesen, habe das Umweltressort argumentiert. Seither kursieren in der BEB die Fragen: „Ist das verhältnismäßig?“ und: „Was steckt dahinter?“ Denn intern ist bekannt, dass die Aufsichtsbehörde seit 2002 wusste, dass auch die mittlere Führungsebene der BEB Dienstwagen bekommen sollte. Seit Mai 2003 lag im Aufsichtsressort sogar eine genaue Auflistung darüber vor. „Durch die sehr günstigen Einkaufskonditionen konnte beim Verkauf der Fahrzeuge ein wirtschaftlicher Vorteil für unser Haus erzielt werden, der sich beim Verkauf der zurzeit genutzten Fahrzeuge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder einstellen, voraussichtlich sogar noch übertroffen wird“, hatten die BEB die Dienstwagenfahrerei ihrer Abteilungsleiter begründet. Das wird noch geprüft.

Eva Rhode