: Stürmische Zeiten im Treibhaus Europa
Die Europäische Umweltagentur dokumentiert die Auswirkungen des Klimawandels auf Europa: Höhere Temperaturen, wärmere Meere, schwindende Gletscher. Prognose für die Zukunft: Mehr Stürme, Hitzewellen und Überschwemmungen
VON BERNHARD PÖTTER
Unsere Enkel und Urenkel werden nicht mehr Schnee schaufeln müssen – dafür aber öfter hitzefrei haben. Sie werden sehr hoch klettern müssen, um einen Gletscher zu sehen, in Nordeuropa blühende Agrarlandschaften und in Süditalien Wüstengebiete erleben und sich bei Sturmflut nicht mehr nach Sylt trauen.
Das sind – unwissenschaftlich zugespitzt – die Konsequenzen aus einem aktuellen Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA. Die Studie „Impacts of Europe’s changing climate“, den die EEA zusammen mit der niederländischen Umweltbehörde und dem deutschen Umweltbundesamt (UBA) gestern vorstellte, fasst die Klimaentwicklung der letzten hundert Jahre in Europa zusammen und liefert auf der Grundlage der Klimamodelle der UN-Organisation IPCC Prognosen für die Zukunft. „Der Bericht basiert auf wissenschaftlichen Daten, ist aber für das allgemeine Publikum aufgearbeitet“, sagte Thomas Voigt, der im UBA maßgeblich an dem Text geschrieben hat.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie sehr sich das Klima in Europa bereits verändert hat. Seit 1900 stiegen die Mitteltemperaturen um 0,95 Grad Celsius. Besonders im Nordwesten Russlands, in Spanien und Portugal sind vor allem die Winter deutlich wärmer geworden. „Kalte Winter werden bis 2080 fast völlig verschwunden sein und heiße Sommer werden viel häufiger“, heißt es in dem Bericht. Trockenperioden und Überschwemmungen nehmen zu.
Die Meeresspiegel an Europas Küsten sind in den letzten hundert Jahren um 0,8 bis 3 Millimeter im Jahr gestiegen – für Narvik in Norwegen seit 1900 ein Anstieg um 30 Zentimeter. Bis 2100 laufen die Wellen nach diesen Zahlen noch einmal zwischen 9 und 88 Zentimeter höher auf. „Die Probleme von ungeschützten Küsten und Inseln werden größer“, so Voigt.
Ost- und Nordsee haben sich in den letzten 15 Jahren um 0,5 Grad erwärmt. Um 2100 wird das nördliche Eismeer im Sommer „überwiegend eisfrei“ sein. In den letzten 30 Jahren sind viele Tier- und Pflanzenarten mit der Wärme nach Norden gewandert: Plankton findet sich jetzt 1.000 Kilometer weiter nördlich als früher.
Der Bericht zeigt, dass Nord- und Mitteleuropa vom Klimawandel auch profitieren: So hat sich die Vegetationsperiode hier um zehn bis 14 Tage verlängert. Mehr Vögel überwintern in Europa, die Flüsse im Nordwesten des Kontinents werden mehr Wasser führen, und die Landwirtschaft in diesen Gegenden profitiert, weil es wärmer und feuchter wird und die CO2-Konzentration in der Luft zunimmt und damit das Pflanzenwachstum anregt. Die Zahlen zeigen auch, dass die Biosphäre in Europa in den Neunzigerjahren mehr CO2 gespeichert als abgegeben hat. Doch diese Speicherkapazität für das Treibhausgas werde abnehmen, heißt es.
Den größten Einfluss auf das Alltagsleben werden Hitzewellen, Stürme und Überflutungen haben, warnt der Bericht. Die Zahl der Überschwemmungen hat seit 1975 deutlich zugenommen, und mehr Menschen waren betroffen – wenn es auch wegen besserer Rettungsmaßnahmen deutlich weniger Opfer gab. Doch allein im heißen Sommer 2003 starben 20.000 Menschen an der Hitze. Dieses Phänomen wird zunehmen: „Hitzewellen werden häufiger und heftiger und die Zahl der Toten wird nach dieser Projektion ansteigen“, schreibt die EEA. Einen kleinen Trost hat sie allerdings auch: „Andererseits wird es weniger Kältewellen und daher weniger Kältetote im Winter geben.“
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