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Archiv-Artikel

Staatsgeheimnis Atomtransport

Wer in Frankreich künftig Informationen über den nuklearen Alltag weitergibt, riskiert fünf Jahre Haft. Begründung der Regierung: Bedrohung durch Terroristen

PARIS taz ■ Alle paar Tage durchqueren Atomtransporte Frankreich. Sie kommen aus Deutschland, aus Japan und aus allen möglichen anderen Weltgegenden und gehen – nach der Wiederaufbereitung im normannischen La Hague – in der Regel auch dorthin zurück. Häufig sind diese Transporte Anlass für Debatten und Proteste von AKW-GegnerInnen und BewohnerInnen der Dörfer und Städte, die auf der Route des strahlenden Gutes liegen. Damit soll es jetzt ein Ende haben: Im Hochsommer hat die Pariser Regierung Atomtransporte zum „Verteidigungsgeheimnis“ erklärt. Wer künftig Informationen darüber veröffentlicht, riskiert bis zu fünf Jahre Gefängnis und 75.000 Euro Geldstrafe. Als Begründung müssen terroristische Bedrohungen herhalten.

Der Erlass des Minsterrates, der am 9. August im Amtsblatt veröffentlicht wurde, ist bei AKW-GegnerInnen auf heftige Proteste gestoßen. „Der Atomkomplex gehört verboten“, erklärt Stéphane Lhomme vom Netzwerk Réseau Sortir du Nucléaire, „nicht die Transparenz“. Seine Organisation veröffentlicht regelmäßig auf ihrer Webseite (www.sortirdunucleaire.org) Details über Atomtransporte und hat verschiedentlich Zugblockaden organisiert, an denen sich hunderte Personen beteiligten. Zuletzt am 3. September stellte das Netzwerk die exakte Route eines aus Deutschland kommenden Zugtransportes ins Web – inklusive Uhrzeiten und Namen der Orte, die der Atomzug in Frankreich durchquerte. Lhomme versichert, dass seine Gruppe auch künftig die Termine von Atomtransporten bekannt geben wird. Die Details allerdings werde sie vorerst nicht mehr ins Web stellen, sondern nur auf Anfrage weitergeben.

Erst im Februar hatte Greenpeace vorgeführt, was die wirkliche Gefahr ist, und mit nach eigener Darstellung „beunruhigender Einfachheit“ in Chalon-sur-Saône in der Bourgogne einen Laster der Gesellschaft Cogema Logistics blockiert. Er war mit 150 Kilogramm Plutoniumpulver beladen – genügend Material, so die Organisation, für 20 Hiroshima-Atombomben. „Der Staat führt eine Zensur ein, um die Atomindustrie zu schützen“, kommentiert Greenpeace-Sprecher Michael Luze den Maulkorberlass.

Frankreich ist das Land mit der größten Atomdichte weltweit. Gegenwärtig bereitet es den weiteren Ausbau seines Atomparks vor. Zu diesem Zweck hat die Regierung eine „nationale Energiedebatte“ organisiert. Die anfänglich daran beteiligten Umweltgruppen haben diese „nationale Debatte“ unter Protest verlassen, als sie feststellten, dass ihr Ergebnis von vornherein feststand. Anfang Oktober will Industrieministerin Nicole Fontaine einen Gesetzentwurf für die französische Energiepolitik der kommenden 30 Jahre vorstellen. Die dritte Generation des Europäischen Druckwasserreaktors EPR, an dem auch die deutsche Atomindustrie beteiligt ist, wird darin einen zentralen Platz einnehmen. DOROTHEA HAHN