: Mehr Mumm für die Bundespolitik
Eine Bündelung der Landtagswahlen schlägt Kanzler Schröder vor. Er hat Mitstreiter, aber wenig Aussicht auf Erfolg
FREIBURG taz ■ Armer Kanzler. Wie soll er große Reformen voranbringen, wenn ständig irgendwo Wahlkampf ist? „Insgesamt wäre einer vernünftigen Politik schon viel geholfen, wenn sie sich nicht alle paar Monate in Landtagswahlen begeben müsste“, sagte Gerhard Schröder Ende vergangenen Jahres. Er forderte deshalb die Zusammenlegung der Landeswahltermine auf zwei Daten: eine Hälfte könnte gemeinsam mit der Bundestagswahl stattfinden, die andere Hälfte in der Mitte zwischen zwei Bundestagswahlen.
In Mecklenburg-Vorpommern wird stets gemeinsam mit dem Bund gewählt. Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) findet das gut. „Wir haben dadurch nicht nur Kosten gespart, sondern auch eine höhere Wahlbeteiligung erzielt.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) schlug vor, alle Landtagswahlen auf einen Tag zwischen zwei Bundestagswahlen zu legen.
Die Bündelungswünsche haben eines gemeinsam. Sie wollen der Bundespolitik zu mehr Mumm verhelfen. Weitreichende Reformpläne sollen nicht aus Rücksicht auf bevorstehende Landtagswahlen zurückgestellt werden. Auch für die bekannten Bundespolitiker wäre es eine Entlastung, wenn sie sich nicht ständig irgendwo in Wahlkämpfen engagieren müssten. Die Zusammenlegung von Bundes- und Landtagswahlen würde auch dem Trend entgegensteuern, Landtagswahlen als Denkzettel für die Bundespolitik zu benutzen. So würde zugleich die Gefahr verringert, dass die parlamentarische Opposition im Bundesrat die Mehrheit hat und damit Reformen blockieren kann.
Bremens Regierender Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hält die ganze Diskussion allerdings für „sehr theoretisch“. Zu Recht, denn die Bündelung der Wahltermine wäre nur sehr schwer zu erreichen. Da es um Landespolitik geht, würde eine Grundgesetzänderung nicht genügen. In allen Ländern müsste die jeweilige Verfassung geändert werden. Insgesamt wäre also sechzehn Mal eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Dabei ist umstritten, ob bereits die laufende Wahlperiode verkürzt werden dürfte. Möglicherweise könnte die Bündelung der Wahltermine also erst für die übernächsten Landtagswahlen gelten. Schnelle Wirkungen sind so nicht zu erzielen. Und was ist zu tun, wenn ein Landtag vorzeitig – zum Beispiel fünf Monate vor dem vorgesehenen Wahltermin – aufgrund einer politischen Krise aufgelöst wird? Sollen die Bürger dann binnen fünf Monaten zwei Mal wählen, um im bundesweiten Takt zu bleiben?
Doch auch die inhaltlichen Bedenken gegen eine Bündelung der Wahltermine sind groß. Der Leipziger Rechtsprofessor Christoph Degenhart warnt vor einer „Halbierung der Wahlperiode des Bundestages“, wenn es zwischen zwei Bundeswahlen einen einheitlichen Landeswahltermin gäbe. Die Fähigkeit der Bundesregierung, komplizierte und umstrittene Reformen umzusetzen, würde so gerade nicht erhöht.
Hier könnte nur eine Zusammenlegung aller Landtagswahlen mit dem Bundestermin helfen. Darin sieht Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) jedoch eine „Aushöhlung des Föderalismus“. Landesthemen würden völlig von der Bundespolitik überlagert. Und Stoiber steht mit dieser Ansicht nicht allein. Bei einer dpa-Umfrage im Januar dieses Jahres sprachen sich sieben von sechzehn Regierungschefs, darunter Erwin Teufel (CDU/Baden-Württemberg), Roland Koch (CDU/Hessen) und Heide Simonis (SPD/Schleswig-Holstein), gegen die Bündelung der Wahltermine aus. CHRISTIAN RATH