: Flirten im Fünf-Minuten-Takt
Kontaktanbahnung mit Termindruck: Beim so genannten Fastdating lernen 12 Männer an einem Abend 12 Frauen kennen. Und umgekehrt. Und das für nur neun Euro. Der romantische Aspekt bleibt erwartungsgemäß eher unterbelichtet
Von Marco Carini
Keine Zeit für ein Warm-up: Ich komme fünf Minuten zu spät und jeweils ein dutzend Männer und Frauen reden – in Pärchen aufgeteilt – bereits wild aufeinander ein. Vom Veranstaltungsleiter bekomme ich eilig die Nummer zehn aufs Revers geheftet, dann werde ich ebenso eilig in Richtung der Frau bugsiert, die dieselbe Nummer trägt. 120 Sekunden Restzeit habe ich noch für die erste Flirtrunde: Das reicht für Namen, Beruf und Wohnstadtteil. Dann klingelt zum ersten Mal die unerbittliche Glocke. Weiterrücken! Zur Frau mit der Nummer elf!
Ich befinde mich im „La Paz“, einer Eckkneipe im Hamburger Szene-Stadtteil Eimsbüttel. Hier findet alle drei Wochen Sonntagabend ein „fastdating“ statt. Mindestens zehn Männer und zehn Frauen, die sich im Internet zu diesem Termin angemeldet und dem Veranstalter neun Euro überwiesen haben, sitzen an mehrere Tische verteilt und warten auf den Einsatz. Jede Frau wird an diesem Abend mit jedem Mann reden. Genau fünf Minuten lang. Nach dem Glockenschlag kommt der Nächste. Instant-Flirten im Zeitraffer.
An diesem Abend sind zwölf Männer und zwölf Frauen versammelt. Die meisten von ihnen nicht unsympathisch und äußerlich durchaus ansprechend. Alles ist hier versammelt: Zwei Ärzte, ein Tischlermeister, ein Feinmaniker und ein Maler treffen auf mehrere Sekretärinnen und erstaunlich viele Frauen, die im Bereich PR, Werbung und Design arbeiten. Sie alle verbindet eines: der Mangel an Zeit und Gelegenheit, den richtigen Partner, die richtige Partnerin zu finden. Die Kontaktaufnahme paarungswilliger Großstädter im Fastfood-Zeitalter wirkt bisweilen etwas atemlos.
Es ist stickig, eng und vor allem laut. Eher Anschreien als Flüstern; der romantische Aspekt bleibt deutlich unterbelichtet. Immer wieder die selben Fragen. Und erstaunlich viele Männer, die sich um alle Chancen bringen, indem sie ihre Gesprächspartnerin auf Zeit zuerst einmal ganz direkt nach deren Alter fragen.
Johanna* hat ihre Freundin Iris* mitgebracht. Schon zur Halbzeit der Veranstaltung brüten die beiden Frauen verschwörerisch über ihren Nummernkarten, in denen sie ihre Gesprächspartner mit einem klaren Ja oder Nein bewerten müssen. Frau will sich ja schließlich nicht ins Gehege kommmen, doch glücklicherweise stehen die Freundinnen „auf einen ganz unterschiedlichen Typ Männer“. Nur die Positiv-Bewertung werden dann auf der eigenen Anmeldeseite bei www. fastdating.de eingegeben. Trifft ein männliches Ja ein weibliches spuckt der Computer die Telefonnummern aus. Für alles was dann passiert, übernimmt der Veranstalter keine Haftung.
Nach Flirtrunde sechs wird den 24 TeilnehmerInnen eine Halbzeitpause gegönnt. Zehn Minuten zur freien Verfügung. Da fast alle Teilnehmer in Ermangelung freier Sitzgelegenheiten bei ihrer letzten Gesprächspartnerin sitzen bleiben, steht hier das dreifache Zeit-Kontingent zum Kennenlernen zur Verfügung und damit die beste Chance, einen bleibenderen Eindruck zu hinterlassen. Doch der Zufall ist nicht immer gnädig. Die Pause erwischt mich eiskalt, als ich gerade von einer Sekretärin weghuschen will, die ganz ganz dringend eine Parfümberaterin benötigen würde.
Nicht alle nutzen ihre Chance: Da ist der Mann mit der Nummer zwölf, der, nachdem er innerhalb von drei Gesprächsrunden alle weiblichen Teilnehmerinnen taxiert hat, grußlos mit der Bemerkung verschwindet „heut ist für mich nichts dabei“. Oder Anne*, die jedem Gesprächspartner gleich offeriert, sie würde fünf Katzen in eine Beziehung mit einbringen. So mancher Mann reagiert da allergisch.
Nach anderthalb Stunden sind die Stimmbänder fast ruiniert, wirre Gesprächsfetzen schwirren durch den Kopf. Im Gehen versuchen noch einmal einige „FastdaterInnen“ eine unverbindliche Verabschiedung mit dem Mann, der Frau, die so am ehesten für ein Folge-Treff infrage käme. Klappt es nicht mit der Doppelkreuz-Übereinstimmung, wartet schon die nächste Chance. Rund ein Drittel der an diesem Abend Versammelten waren nicht zum ersten Mal beim Flirt-Ex(pr)ess in der Eimsbüttler Eckkneipe. Und einige tragen schon den nächsten Termin in den mitgebrachten Taschenkalender ein – wild entschlossen beim erneuten Anbahnungs-Marathon wieder alles zu geben. Marco Carini
*Namen geändert
Regelmäßige „fastdating“-Termine gibt es in Hamburg, sproradische auch in Bremen und Hannover. Auch die Firma „Speeddating“ (www.speeddating.de) plant zum Preis von 29 Euro Ende Oktober vergleichbare Veranstaltungen in Hannover und Hamburg, allerdings mit einer Begrenzung auf jeweils sieben weibliche und männliche Teilnehmer bei einer „Kontaktzeit“ von jeweils 7 Minuten