Rechts macht Schule

Neonazi-Gruppen rufen zur „Fortbildung“ in die niedersächsische Provinz: regionale Basisarbeit steht für jugendliche Teilnehmer auf dem Lehrplan

Von Andrea Röpke und Andreas Speit

Einfache deutsche Küche stand auf dem Speiseplan: Erbsensuppe mit Bockwurst. Eindeutige neonazistische Strategien fanden sich auf dem Stundenplan: „Basisgruppenarbeit“ und „Verhalten gegenüber Polizei und Geheimdiensten“. Am vergangenen Wochenende veranstalteten die Nationaldemokratische Partei Deutschlands Verden-Rotenburg (NPD), das rechte Netzwerk Nationaldemokraten Stade und die Jungen Nationaldemokraten (JN) in Bargstedt nahe Buxtehude eine konspirative Schulung.

Zwei Tage unterrichteten Kader der NPD in der niedersächsischen Provinz in der „Alten Mühle“ des stellvertretenden Landesvorsitzenden Adolf Dammann junge Aktivisten und jugendliche Sympathisanten. „Kein Grund zur Sorge“, erklärt indes der Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes (VS), Hartmut Böhme. Der Personenkreis stünde unter „besonderer und intensiver Beobachtung“. Zu dem Schulungswochenende konnte Böhme jedoch nichts sagen. „Der VS hat uns nicht vorgewarnt“, bestätigt der Staatsschutz Stade gegenüber der taz.

Voller Vorfreude auf die rechte Polit-Schulung trafen am Samstagnachmittag etwa 20 Neonazis aus dem Elbe-Weser-Dreieck in dem Ort an der Aue ein. Mit traditionellem Fastfood aus der Dose und Bierkästen unterm Arm begrüßten sie sich vor der so genannten NPD-Scheune mitten in Bargstedt. „Keine Antifa hier?“, fragten sich die Neonazis und schauten um sich.

Man trug T-Shirts mit dem Emblem von der verbotenen Rechtsrock-Band „Landser“. Neulinge stellte sich vor. Gemütlich gingen die angereisten NPDler wie Martin Zaha aus Stade, Sven Wellhausen aus Verden, Daniel Fürstenberg und Janine Blass aus Bremen über die hölzerne Außentreppe in den ersten Stock des Gebäudes, in dessen Erdgeschoss sich ein griechisches Restaurant befindet. Die Schulung im „Tanzboden“, dem Saal im Obergeschoss, begann, als der letzten Referent ankam: NPD-Bundesschulungsleiter Stefan Lux.

Nach dem gescheiterten NPD-Verbot 2002 hatten die VS-Ämter den langsamen Niedergang der ältesten neonazistischen Partei der Bundesrepublik vorausgesagt. Stattdessen jedoch hat die NPD ihre kommunale Basisarbeit ausgebaut. Dieses Thema stand auch als Erstes auf dem Lehrplan. Laut einem internen Schulungspapier sind bei der Basisarbeit „Loyalität und Disziplin wesentliche Bausteine der Gruppe und ihres Erfolges. Wer hier nötige Einstellungen vermissen lässt, muss gnadenlos entsorgt werden.“

Etwas strittiger verhandelten die Teilnehmer den Umgang mit den Staatsorganen. Zwei Kameraden verließen den Schulungssaal. Aber „nicht mal eine halbe Stunde später saßen wir wieder an einem Tisch“, schrieb ein anderer Teilnehmer im Gästebuch der Stader NPD-Webseite. Die „Schuloffensive“ in der Region, die die anwesenden führenden Aktivisten Sascha Jörg Schüler und Florian Cordes vorhaben, dürfte also kein Zwist behindern. Sie planen vermutlich, die extra hergestellte Rechtsrock-Multimedia-CD „Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund“ unters Jungvolk zu bringen (taz berichtete).

Seit Jahren dient das Elternhaus des über sechzigjährigen Dammann der rechten Szene als Treffpunkt. Hier feierten die Rechten 2002 die „Wintersonnenwende“, 2003 trafen sie sich zu einem Rechtsrockkonzert. In diesem Jahr verstärkte die NPD durch die Zusammenarbeit mit den Freien Kameradschaften ihre regionalen Aktivitäten. „Die Region bildet einen Schwerpunkt“, räumt der VS ein. Gezielt suchten die Rechten längst Kontakt zu erst Dreizehnjährigen.

Das Schulungswochenende wird auch der Absprache von weiteren lokalen Kampagnen gedient haben – über das Verteilen von neonazistischer Propaganda an Schulen hinaus. Im April hatten Anwesende der Schulung versucht, ausgestattet mit Schlagstöcken und Stahlruten, eine GEW-Veranstaltung zu stören. Polizeiliche Ermittlungsverfahren laufen.