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Archiv-Artikel

„Wir brauchen eine Theorie der Medienpolitik“

Der Medienforscher und ehemalige Chef des Grimme-Instituts, Lutz Hachmeister, gründet ein Institut für Medienpolitik mit Sitz in Köln und Berlin. Es soll eine „Ideenagentur“ entstehen, die für Theorie wie Praxis bedeutsam ist: „Bisher fehlt in Deutschland eine solche Spitzeninstitution“

taz: Herr Hachmeister, Sie waren Leiter des Grimme-Instituts. Jetzt sind Sie Medienberater. Was bewegt Sie, nun in Köln und Berlin ein Institut für Medienpolitik zu gründen?

Lutz Hachmeister: Es gibt keine Disziplin der „Medien- und Kommunikationspolitik“ in Deutschland, auch nicht an Universitäten. Und wenn es sie dort gäbe, müsste man fragen, ob da die Forschung mit der Praxis sinnvoll verknüpft werden könnte. Gemessen an der gesellschaftlichen Reichweite von medienpolitischen Entscheidungen ist die Reflexion dieses politischen Feldes armselig. In Deutschland fehlt eine Spitzeninstitution, die abgekoppelt vom Tagesgeschäft über Positionen, Begriffe und Strategien nachdenkt, mit der Absicht, für die Praxis bedeutsam zu sein. Es reizt mich, eine solche Ideenagentur aufzubauen.

In Dortmund gibt es das renommierte Medienforschungsinstitut formatt. Braucht die Welt noch mehr Institute?

Ich sehe in Europa keine Forschungseinrichtung, die sich im Kern mit Medienpolitik beschäftigt. Man wird sich einer Theorie der Medienpolitik zuwenden müssen, vor allem danach fragen, wie das „Politische“ in der Medienwelt des 21. Jahrhunderts überhaupt zu definieren ist. Es gilt auch, daraufhin noch einmal klassische Konzepte des Politischen, von Max Weber über Carl Schmitt bis zu Niklas Luhmann zu durchforsten.

Wer gibt das Geld?

Etwa ein dutzend Medienunternehmen von Premiere bis zum ZDF haben angekündigt, das Institut zu fördern. Für einzelne Arbeitsvorhaben können zusätzliche Mittel akquiriert werden. Am Geldproblem wird der Aufbau eines solchen Instituts nicht scheitern.

Sie wollen die Unabhängigkeit durch eine Art Pattsituation in den Interessen der Geldgeber herstellen. Bei einer Erhebung von Fakten ist das noch gut vorstellbar. Aber was passiert, wenn bestimmte Marktsegmente betroffen sind, zum Beispiel die Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?

Dieses wäre ein sehr gutes Thema für Gespräche, die nicht öffentlich geführt werden sollten. Das Institut soll auch im Vorfeld von wichtigen gesetzlichen Entscheidungen die verschiedenen Akteure zusammenzubringen. Manchmal geht ja mehr zusammen, als man eigentlich denkt. Also ein Reflexionsraum jenseits der eingefahrenen Verbandsinteressen und des rituellen öffentlichen Getöses.

Wenn es in Ihrem Institut Hinterzimmerabkommen geben soll, welchen Nutzen soll dann die Öffentlichkeit haben?

Die Mehrzahl der Projekte soll öffentlich zugänglich sein. Außerdem gibt es einen öffentlichen Profit durch die Stärkung des Sujets Medien- und Kommunikationspolitik. Das Institut soll sich schon so bemerkbar machen, dass niemand mehr sagen kann: Davon wissen wir nichts. Interview: Sebastian Sedlmayr