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Archiv-Artikel

Durchbruch im Konflikt um Nadschaf?

Widersprüchliche Meldungen aus Nadschaf: Schiitenprediger Muktada al-Sadr soll mit seiner Mahdi-Miliz die Grabmoschee verlassen haben. Irakische Regierung meldet kurzzeitig, Polizisten seien in die Moschee eingedrungen – Dementis folgen

AUS BAGDAD INGA ROGG

Einen Tag nach der Verkündung des Ultimatums zur Räumung der Imam-Ali-Moschee zeichnete sich gestern möglicherweise ein Durchbruch im Konflikt mit Muktada al-Sadr ab. Korrespondenten in Nadschaf berichteten, dass die Milizionäre al-Sadrs aus der Moschee abgezogen seien. Irakische Polizeikräfte würden die Kontrolle über die Moschee übernehmen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums – eine Meldung, die später wieder dementiert wurde. „Wir evakuieren die Moschee“, sagte ein Sprecher von al-Sadr in Nadschaf. Sprecher des US-Militärs wollten die Meldungen nicht bestätigen.

Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen Vertretern des schiitischen Militanten mit Repräsentanten von Großajatollah Ali Sistani über die Schlüsselübergabe der Moschee. Sistani selbst hält sich derzeit in London auf.

Ein Sprecher des militanten Predigers erklärte am Morgen, al-Sadr sei bereit, die Schlüssel an die Mardscha, die höchsten schiitischen Geistlichen in Nadschaf, auszuhändigen. „Das bedeutet, die Verwaltung dieses internationalen Wahrzeichens an die religiöse Führung zu übergeben“, sagte Scheich Ahmed Scheibani. Die Rückgabe des für die Schiiten weltweit bedeutenden Gotteshauses war eine der Forderungen der von der Nationalkonferenz auf den Weg gebrachten Friedensinitiative. Damit wäre in dem seit zwei Wochen andauernden Konflikt ein erster Durchbruch gelungen. Premierminister Allawi, der am Donnerstag von al-Sadr ultimativ einen Rückzug aus der Moschee gefordert hatte, fand gestern ebenfalls deutlich versöhnlichere Worte. Die Regierung habe nicht vor, die Moschee zu stürmen. „Wir werden die Moschee nicht angreifen, wir werden Muktada al-Sadr nicht in der Moschee angreifen“, sagte Allawi. Noch einmal bot Allawi dem Militanten an, sich am politischen Prozess im Zweistromland zu beteiligen. Wenn er der Führer der Iraker sein wolle, solle er sich an den für Januar geplanten Wahlen beteiligen, sagte Allawi.

Dem Austausch der Worte waren in der Nacht die schwersten Boden- und Luftangriffe durch US-amerikanische Truppen seit Ausbruch des Konflikts vor zwei Wochen vorausgegangen. Fünf Stunden lang bombardierten die Amerikaner mutmaßliche Stellungen der Mahdi-Armee. Die Schwere der Bombardements erschütterte selbst Häuser, die weit vom Kampfschauplatz im Zentrum der Pilgerstadt entfernt liegen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden seit Donnerstag mindestens 77 Personen bei den Kämpfen getötet, 70 weitere wurden verletzt.

Al-Sadr selbst befindet sich nach Angaben eines Getreuen weiter in Nadschaf. Al-Sadr sei ein Sohn dieser Stadt und werde sie nicht verlassen außer durch den Märtyrertod, sagte Scheich Ahmed al-Scheibani am Freitag dem Fernsehsender al-Dschasira. In Bagdad hieß es, eine weitere Delegation sei nach Nadschaf aufgebrochen, um mit al-Sadr zu verhandeln. Bislang hat dieser aber noch jedes direkte Gespräch mit den Unterhändlern verweigert.

Mit dem Abzug der Miliz aus dem Heiligtum ist in dem festgefahrenen Konflikt ein erster Durchbruch gelungen, gelöst ist er damit aber noch nicht. Die Regierung hält weiterhin an ihrer Forderung nach einer Kapitulation der Mahdi-Armee genannten Miliz des Predigers fest. Zugleich beschuldigte Allawi die Kämpfer, in der Grabmoschee Sprengstoff angebracht zu haben. Die Auflösung seiner Mahdi-Armee schloss al-Sadr freilich weiterhin aus. In einem Schreiben, dessen Authentizität nicht feststand, beharrte er auf der Beibehaltung seiner Mahdi-Armee. Sie sei die Basis für den kommenden Messias und könne deshalb nicht aufgelöst werden, hieß es in dem Brief. Unterdessen steckten Al-Sadr-Anhänger im Süden des Landes die Büros und Lagerhallen der dortigen Erdölgesellschaft in Brand. „Die Kämpfer der Mahdi-Armee haben in den Büros und den Depots Feuer gelegt“, sagte ein Sprecher der Gesellschaft in Basra.

Auf Aufforderung von Muktada al-Sadr haben sich die Entführer eines westlichen Journalisten bereit erklärt, den Reporter freizulassen. Der Journalist war vor einer Woche zusammen mit seinem Übersetzer im südirakischen Nassirija verschleppt worden. Am Donnerstag hatte die Gruppe, die sich „Märtyrer-Brigade“ nannte, mit der Ermordung des Journalisten gedroht, sollten die US-Amerikaner nicht binnen 48 Stunden abziehen.

In einem anderen Brennpunkt des Landes, im sunnitischen Falludscha, haben die USA erneut mutmaßliche Stellungen von Untergrundkämpfern bombardiert.