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WTO: Aufstand des Südens

Welthandelskonferenz in Cancún geplatzt. Entwicklungsländer bieten den Industriestaaten die Stirn. Sie verhindern Regelungen über ihre Köpfe hinweg. Streitpunkt Agrarsubventionen

CANCÚN/BERLIN taz ■ Das Scheitern der Welthandelskonferenz im mexikanischen Cancún könnte einen Wendepunkt in der Geschichte des Welthandels darstellen. Erstmals haben die Entwicklungsländer ihr Gewicht gemeinsam in die Waagschale geworfen – und eine weitere Liberalisierung des Welthandels über ihre Köpfe hinweg verhindert.

Es war eine Gruppe von 31 Entwicklungsländern, die die Verhandlungen am Sonntagnachmittag mexikanischer Zeit platzen ließ. „Wir haben gemerkt: Die EU und die USA haben die Themen durchgesetzt, die ihnen selbst am Herzen liegen“, sagte ein Mitglied der Delegation von Uganda im taz-Interview. „Unsere Themen sollten hinten herunterfallen.“

Dazu gehörte vor allem der Agrarbereich. Die Entwicklungsländer kritisierten, dass die EU und die USA die Subventionen für ihre eigenen Bauern nicht schnell genug absenken wollten. Dadurch werden die Waren oft billiger, als die Bauern in den armen Ländern des Südens sie selbst produzieren können. Deshalb weigerten sich die Entwicklungsländer, Gespräche über neue Regeln für ausländische Investitionen zu akzeptieren, bevor es zur Einigung im Agrarstreit kommt. Letzteres hatte vor allem die EU verlangt.

Ganz anders die Wahrnehmung des deutschen Verhandlungsführers, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Er warf den Entwicklungsländern eine „Blockadehaltung“ vor, bei der Schlagworte an die Stelle der Vernunft gesetzt worden seien – und fand bei dieser Kritik einmal die uneingeschränkte Solidarität seines US-amerikanischen Kollegen, des Handelsbeauftragten Robert Zoellick.

Doch mit dieser Einschätzung drückt Clement offenbar nicht die Gefühle seiner gesamten Delegation aus. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erklärte gestern, dass die Interessen der Länder des Südens stärker berücksichtigt werden müssten. Diesen Kurs hatte auch der Bundestag im Juli von der deutschen Delegation verlangt. Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Thilo Hoppe, griff deshalb gestern den Wirtschaftsminister an. „Es ist für mich befremdlich, dass der Bundestagsbeschluss allem Anschein nach vom Wirtschaftsminister missachtet wurde“, sagte er der taz.

Nach dem Scheitern der Welthandelskonferenz in Cancún steht die seit 2001 laufende Handelsrunde auf dem Spiel, die so genannte Doha-Runde. Sie sieht weitere Erleichterungen im weltweiten Freihandel bis Anfang 2005 vor – die diesmal eigentlich auch den armen Ländern zugute kommen sollte. Ob dies gelingt, ist nun unklar. Die WTO-Mitglieder wollen ihr Treffen „demnächst“ in Hongkong fortsetzen.

Entwicklungsländer und Globalisierungskritiker feierten das erfolglose Ende der Konferenz am Sonntagabend als Sieg. Sie hatten befürchtet, dass die WTO Beschlüsse zu Lasten der armen Länder fassen würde.

KATHARINA KOUFEN, URB

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