: Rückfall ist nicht die Regel
Studie stellt der Kriminalpolitik ein gutes Zeugnis aus: Nur die Hälfte der „schweren Jungs“ wird wieder straffällig
Erstmals hat Justizministerin Brigitte Zypries in diesem Jahr eine umfassende Studie zum Rückfall von Straftätern vorgelegt. Darin wird der deutschen Kriminalpolitik ordentliche Arbeit bescheinigt. Nur 35 Prozent der strafrechtlich Verurteilten werden später erneut straffällig. Die große Mehrheit führte ein straffreies Leben – oder ließ sich zumindest nicht erwischen.
Beobachtet wurden alle Delinquenten, die im Jahr 1994 zu einer Geld- oder Bewährungsstrafe verurteilt oder nach Verbüßung einer Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen wurden. Die Studie der Kriminologen Wolfgang Heinz (Konstanz) und Jörg-Martin Jehle (Göttingen) verfolgte damit die Strafkarrieren von fast einer Million Menschen. Anhand des Bundeszentralregisters überprüften die beiden Professoren, ob die Straftäter binnen vier Jahren erneut verurteilt wurden. Die Forschung geht davon aus, dass Rückfälle wenn, dann meist recht bald erfolgen, später sinkt die Wahrscheinlichkeit sehr stark.
Auf den ersten Blick überrascht das Ergebnis: Je härter die Sanktion, desto höher die Rückfallquote. So wurden 56 Prozent der Gefängnisinsassen nach ihrer Entlassung erneut straffällig. Blieb die Freiheitsstrafe dagegen zur Bewährung ausgesetzt, wurden nur 45 Prozent der Verurteilten rückfällig. Am besten ist der Wert nach einer verhängten Geldstrafe. Hier beträgt die Rückfallquote nur 30 Prozent.
Doch es wäre verkürzt, daraus zu schließen, dass mildere Strafen bessere Ergebnisse zeitigen. Die Richter verhängen nicht für ähnliche Taten unterschiedliche Sanktionen, deren Wirkungen verglichen werden könnten. Im Gegenteil: Die Art der Tat und der kriminellen Karriere entscheidet auch über die Sanktion.
So wird die Haftstrafe in Deutschland nur noch in schweren Ausnahmefällen verhängt. Von hundert verurteilten Straftätern erhalten achtzig eine Geldstrafe, fünfzehn eine Bewährungsstrafe und nur fünf müssen tatsächlich ins Gefängnis. Die Gefängnisinsassen sind daher überwiegend „schwere Jungs“ mit erheblichem Vorstrafenregister und geringer sozialer Integration. Eigentlich ist hier der Rückfall wahrscheinlicher als die Wiedereingliederung. So gesehen ist eine Nichtrückkehr-Quote von nahezu fünfzig Prozent eben doch ein Erfolg.
Ganz schlechte Werte hat nur der Jugendstrafvollzug. Jugendliche, die in Haft kamen, wurden nach der Entlassung zu 78 Prozent rückfällig. Neben der Selektion der schlimmen Fälle durch die Richter kommt hier noch hinzu, dass die Jugendzeit ohnehin die Lebensphase ist, in der Menschen am ehesten kriminell werden. Vielleicht hat aber auch manche kriminelle Karriere in der Subkultur der Jugendhaft erst den entscheidenden Kick bekommen. CHRISTIAN RATH