: Die Leere nach dem Schrei
Das Osloer Munch-Museum ist zwei seiner bedeutendsten Gemälde beraubt. Die Diebe werden für den „Schrei“ und „Madonna“ wohl Lösegeld fordern
VON REINHARD WOLFF
„Der Schrei“ und „Madonna“ sind nicht nur Bilder von unschätzbarem Wert, sie sind auch unverkäuflich. Die bewaffneten Räuber, die am Sonntag die beiden Gemälde des norwegischen Malers Edvard Munch raubten, sind daher vermutlich auf ein „Lösegeld“ aus. Um 11 Uhr, kurz nach Öffnung des Munch-Museums in Oslo, waren zwei maskierte Männer an wartenden BesucherInnen vorbeigestürmt, hatten die Bilder von der Wand gerissen und waren in einem schwarzen Audi-A6-Kombi, in dem ein Komplize gewartet hatte, verschwunden. Kurze Zeit später konnte die Polizei in der Osloer Innenstadt einen vermutlich zu den Bildern gehörenden Rahmen sicherstellen. Später wurde auch das mutmaßliche Fluchtauto in einem Vorort gefunden.
Offenbar hatten die Täter es einfach: Die Bilder waren durch keine speziellen Sicherheitseinrichtungen geschützt, nicht einmal ein Alarm war nach Aussagen von ZeugInnen zu hören gewesen. Beide Gemälde hingen im ersten Ausstellungssaal des Museums nur etwa 30 Meter vom Eingang entfernt. Drei im Raum anwesende Museumswärter waren mit Waffendrohung veranlasst worden, sich auf den Boden zu legen, irgendeinen Schusswaffengebrauch gab es aber nicht. Doch mussten mehrere MuseumsbesucherInnen wegen des erlittenen Schocks ärztlich behandelt werden.
Der „Schrei“ hat nach Munchs Tagebuchaufzeichnungen seinen Ausgangspunkt in einem Naturerlebnis, das er unter dem Datum des 22. Januars 1892 beschreibt. Ein Sonnenuntergang mit einem blutroten Himmel über einen blauschwarzen Fjord: „Ich blieb in lähmender Angst stehen und fühlte einen unendlichen Schrei durch die Natur hallen.“ Das etwa zur gleichen Zeit entstandene Gemälde „Madonna“ gehörte zu den umstrittensten Gemälden Munchs, wollte er doch nach eigener Aussage damit eine Frau im Augenblick des Orgasmus darstellen.
Sune Nordgren, Direktor des norwegischen Nationalmuseums, geht davon aus, dass eine internationale Kunstraubliga hinter dem Coup steht. Beide Gemälde seien „unmöglich auf dem Kunstmarkt abzusetzen“, es „wird wohl eine Lösegeldforderung geben“. Für Nordgren sind auch keine mangelnden Sicherheitsvorkehrungen für den Raub mitverantwortlich: „Wenn Täter mit solcher Brutalität vorgehen, ist es so gut wie unmöglich für Kunstmuseen, sich dagegen in irgendeiner Weise zu schützen.“ Allenfalls mit bewaffneten Wächtern. Die Alternative sei, Kunstwerke hinter Glasscheiben und in Schränken so vor BetrachterInnen wegzuschließen, dass damit gleichzeitig ein Großteil des Kunsterlebnisses verloren gehe.
Kultusministerin Valgerd Svarstad Haugland sprach von „Schock und Wut“ und kündigte eine Untersuchung an, ob „unsere nationalen Kulturwerte gut genug gesichert sind“. Es müsse umgehend untersucht werden, „ob wir unsere Gewohnheiten ändern“ müssen.