: Kölner Wähler hängen die Latte höher
Vor der Kommunalwahl wollen zahlreiche Interessenvertretungen von den Kölner Parteien wissen, wie deren künftige Politik im Stadtrat aussieht. Noch aber haben sie keine Antwort auf ihre zum Teil recht umfangreichen „Wahlprüfsteine“ bekommen
Von Frank Überall
Bei den Kölner Parteien wird in diesen Wochen fleißig gearbeitet. Vor dem Urnengang am 26. September muss nicht nur kräftig Wahlkampf geführt werden, es sind auch zahlreiche umfangreiche Briefe zu beantworten.
Immer mehr Organisationen und Vereine konfrontieren die PolitikerInnen mit „Wahlprüfsteinen“. Mit der Beantwortung der teils recht umfangreichen Fragenkataloge lassen sich die Mandatsträger in spe angesichts der Fülle der Anfragen aber offenbar Zeit.
■ Kirchenwünsche
Als eine der ersten Vereinigungen meldeten sich in diesem Jahr die Laien der katholischen Kirche zu Wort. Der „Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln“ druckte einen aufwändigen Flyer, in dem die KandidatInnen auf Herz und Nieren und politischen Sachverstand geprüft werden sollen.
Unter anderem wollen die engagierten Christen Auskunft darüber, wie die PolitikerInnen zur Sonntagsarbeit stehen, wünschen sich mehr Förderung von ehrenamtlicher Arbeit und wollen außerdem wissen, was getan werden soll, um „junge Menschen zur Gründung einer Familie mit Kindern zu motivieren“. Offenbaren sollen die zu Wählenden auch, welche Leistungsangebote für BürgerInnen durch die schlechter werdenden Finanzen der Stadt gefährdet sind. Es gibt aber auch inhaltlich weit gefasste Auskunftsersuchen wie „Was heißt für Sie sparen?“.
■ Frauenförderung
Unter dem Motto „Frauen sind wählerisch“ haben sich verschiedene Frauen- und Mädchenverbände auf kommunalpolitische Forderungen geeinigt. In ihrem Katalog für KandidatInnen fordern sie, Statistiken geschlechtsspezifisch zu erfassen und die Erkenntnisse verstärkt in Planungsvorhaben einfließen zu lassen. Gefordert wird auch der Erhalt kommunaler Förderungen für Frauen und der Ausbau qualifizierter Kinderbetreuung. Weiter sollen die PolitikerInnen Auskunft darüber geben, wie viele Jungen und Mädchen in Köln leben, welche Jugendeinrichtungen es gibt und wie die eigene Haltung zu „geschlechtsspezifischen Einrichtungen“ ist.
Lehrer sollen verbindlich in „reflexiver Koedukation“ nachgeschult werden, in Schulen und Turnhallen sollen „Angsträume“ wie dunkle Ecken beseitigt werden. Außerdem soll sich die Stadt Köln verpflichten, sexistische Werbung zu verhindern. MigrantInnen sollen verstärkt gefördert und auch in den städtischen Ämtern nachhaltiger eingesetzt werden. Weitere Forderungen: Schutzräume für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, und eine besondere lesbische Kultur- und Mädchenarbeit.
■ Flüchtlinge
Der Kölner Flüchtlingsrat will von den Parteien vor allem zugesagt bekommen, dass die bisher gefundenen Kompromisse weiter umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem das Unterbringungskonzept, das gemeinsam mit der Stadt am „Runden Tisch“ entwickelt wurde.
Nachdrücklich setzt sich der Verein auch für die Gründung von speziellen Flüchtlingshäusern für Frauen ein. Die städtische Ausländerbehörde solle besser erreichbar sein und zum „echten Dienstleistungsbetrieb“ werden. Juristische Handlungsspielräume sollten konsequent zu Gunsten der Flüchtlinge genutzt werden.
Ein Arbeitsverbot für MigrantInnen soll nach Vorstellung des Flüchtlingsrats künftig die absolute Ausnahme sein. In einer neu zu gründenden „Härtefall-Kommission“ könnten außerdem Problemfälle mit Vertretern der Stadt und von Verbänden diskutiert werden. Außerdem werden bessere Zustände bei der Flüchtlingsbetreuung im Gesundheitsamt, eine intensivere interkulturelle Arbeit bei der Verwaltung und die ausführlichere Unterstützung minderjähriger Flüchtlinge verlangt.
■ Naturschutz
„Stetige Verschlechterungen im Bereich des Naturschutzes“ bemängelt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Bewährte Schutzausweisungen im Landschaftsplan würden zum Beispiel auf dem Gelände der Rennbahn, in der Sürther Aue oder im Dünnwalder Wald eingeschränkt. Der BUND fordert eine Abkehr von dieser Praxis: Bauflächen sollten nur noch außerhalb bestehender Schutzgebiete gesucht werden.
Überhaupt werde in Köln zu wenig zum Erhalt wertvoller Grünflächen getan und Biotope oft „bei Nacht und Nebel“ in baureife Fläche verwandelt – das hat der BUND am Gleisdreieck in Braunsfeld oder am Stöckheimer Hof beobachtet. Eine Flughafenerweiterung lehnt der BUND ab, befürwortet stattdessen bis zu sieben Stunden Nachtruhe.
Auf stadteigenen Flächen dürfe keine Gentechnik angesiedelt werden, fordern die Naturschützer. Bündnisse von Landwirten, die freiwillig auf Gentech-Saatgut verzichten, sollten von der Stadt unterstützt werden. Der BUND spricht sich außerdem für ein Flächenkataster aller Neu-Versiegelungen und Brachen aus. Statt der Betonierung unversiegelter Böden solle lieber ein „intelligentes Flächenrecycling“ gemacht werden. Weitere BUND-Wünsche sind die Realisierung der autofreien Siedlung, Energiesparen bei der Verwaltung und die Förderung des Fahrrad-Verkehrs in Köln.
■ Soziales Köln
Der Kölner DGB stellt seinen Forderungen den Wunsch nach einer Konsolidierung des städtischen Haushalts voran. Das könne zum Beispiel durch die Wiederbelebung der Körperschaftssteuer und eine „neue und stabile Gewerbesteuer“ geschehen. Eine Privatisierung des Stadtwerke-Konzerns wird vom Gewerkschaftsbund auch deshalb abgelehnt, weil die Stadt dann auf die laufenden Einnahmen aus den eigenen Firmen verzichten müsse. Statt weiter Kosten für „überhöhte Mieten und Pachten“ zu übernehmen, sollten besser neue Arbeitsplätze von der Stadt gefördert werden.
Außerdem regt der DGB einen „Bürgerhaushalt“ mit aktiver Mitwirkungsmöglichkeit aller KölnerInnen an. In einem „kommunalen Bündnis für Arbeit“ müsse sich die Stadt intensiver engagieren. Industrielle Netzwerke und eine gezielte Strukturpolitik seien gefragt. Eindeutig warnt der Gewerkschaftsbund die RatskandidatInnen vor den Gefahren von Cross-Border-Leasing-Aktivitäten.
Wichtig seien für die Stadt weiter der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die konsequentere Ausrichtung auf Müllvermeidung und Recycling, Ganztagsangebote an den Schulen und der Erhalt der kommunalen Kulturlandschaft.