: Raffen die Besucher das?
Die Kunst-Werke wollen in ihrer Ausstellung zur RAF nur Kunst zeigen und die inhaltliche Einordnung anderen überlassen. Konsequente Beschränkung oder verpasste Aufklärung? Zwei Meinungenvon HARALD FRICKE
pro
„Kunst ist Kunst. Alles andere ist alles andere.“ Der amerikanische Maler Ad Reinhardt hat sich mit diesem trockenen Statement bereits in den Sechzigerjahren gegen jede Vereinnahmung gesperrt. Sollte sich an der Selbstbeschränkung etwas geändert haben? Ist die Verantwortung für den Umgang mit Geschichte, gar mit dem Terrorismus der RAF an die Kunst übergegangen? Mitnichten. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der RAF fordert zuallererst Fragen der Darstellung und generell der Darstellbarkeit solcher Ereignisse heraus, keinesfalls aber nach deren korrekter, alle Opferdiskurse mitberücksichtigenden Ausdeutung. Das wäre bloß der Abklatsch gesellschaftlich geführter Debatten, schlimmstenfalls illustrativer Kitsch, der bebildert, was ohnehin alle Welt weiß: dass Terror nie die Lösung sein kann.
Solche Zweckgebundenheit ist nicht Ziel einer RAF-Ausstellung mit künstlerischem Anspruch. Den Mangel an Freiheit haben auch die Kunst-Werke erkannt und sich entschieden, mit ihrer Präsentation dafür zu sorgen, wie es im neuen Konzeptpapier heißt, dass die Kunst „nicht der Historisierung und Illustrierung eines geschichtlichen Kapitels untergeordnet wird“.
Daher ist es nur konsequent, die kritische Aufarbeitung des historisch dokumentierten Materials berufenen Einrichtungen, etwa dem Hamburger Institut für Sozialforschung oder der Bundeszentrale für politische Bildung, zu überlassen. Stattdessen wird sich die Ausstellung darauf konzentrieren, wie Kunst sich der RAF als einer traumatischen Erfahrung annähert und angesichts der Eskalation der Gewalt auch den „eigenen Machtverlust“ thematisiert. Parallelen zur Gegenwart sind wohl unvermeidbar: Wie oft ist den einstürzenden WTC-Türmen eine visuelle Durchschlagskraft zugesprochen worden, die kein Kunstwerk erreichen könne?
Dass es der RAF-Ausstellung nicht um einen Wettstreit der Ikonen geht, ist zum Glück schon den ersten Konzeptpapieren abzulesen gewesen. Gegen jede Mythologisierung der RAF, wie sie in Mode oder Popkultur als „Prada-Meinhof“-Revival zuletzt stattgefunden hat, stand von Beginn an die Analyse solcher Bildproduktion. Dafür spricht die geplante Auswahl der Künstler: Hans-Peter Feldmanns Arbeit „Die Toten. 1967–1993“ etwa ist eine Fotosammlung all jener, die im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Terrorismus ums Leben kamen. Opfer von Gewalt sind sie alle – doch die Frage, warum die Morde geschahen, beantwortet Feldmann nicht, darüber muss und kann der Betrachter urteilen.
Kommt diese Haltung einer „nachträglichen Idealisierung“ der RAF gleich, wie sich Guido Westerwelle lautstark empört hat? Offenbar wollte der FDP-Generalsekretär nicht genau hinsehen. Indem Feldmann ausschließlich Bilder aus Medien benutzt, stellt er gerade deren alltäglich gewordenen Umgang mit Terror auf die Probe. Tatsächlich entzieht sich die bedrückende Strenge seiner Fotostrecke jener aufgeheizten Atmosphäre, wie sie damals von der Bild-Zeitung erzeugt wurde. Feldmanns Arbeit verhält sich sprachlos im Angesicht der Toten, sie ist ein Kommentar auf die Darstellung des Schreckens, deren populistische Schlagzeilentauglichkeit auch für hohe Auflagen sorgen sollte.
Schon dieses Beispiel zeigt, dass Kunst noch immer nach Mitteln sucht, sich von der Abstumpfung und Spektakelisierung durch die massenmedialen Bilder zu unterscheiden. Für diesen Unterschied lohnt sich das neue Konzept der RAF-Ausstellung unbedingt.