: Kongos Rebellen legen Friedensprozess auf Eis
Die RCD-Rebellion suspendiert ihre Teilnahme an der Allparteienregierung und fordert eine „schonungslose Evaluierung“ des Friedensprozesses nach dem jüngsten Flüchtlingsmassaker. Südafrika startet Vermittlungsversuch
BERLIN taz ■ Die Allparteienregierung der Demokratischen Republik Kongo ist in die schwerste Krise seit ihrer Gründung vor einem Jahr geraten. Die wichtigste Rebellenbewegung des Landes, die „Kongolesische Sammlung für Demokratie“ (RCD), verkündete am Montagabend ihren Austritt aus der Regierung und forderte eine neue Runde von Friedensgesprächen. „Wir suspendieren die Beteiligung der RCD am Übergangsprozess“, sagte deren Führer Azarias Ruberwa, einer der Vizepräsidenten des Kongo, in der Provinzhauptstadt Goma im Osten des Landes. In einer Erklärung der RCD hieß es: „Die politische Lage und die Sicherheitslage haben sich so verschlechtert, dass der Übergangsprozess stirbt, wenn er nicht schonungslos evaluiert wird.“
Die RCD-Rebellion, deren Kern aus Angehörigen der ruandischstämmigen Minderheit im Ostkongo besteht, war während des Krieges von 1998 bis 2003 Hauptgegner der Regierungen der Präsidenten Laurent und Joseph Kabila im Kongo. Gemäß des gültigen Friedensvertrags von Dezember 2002 stellt sie in der im Sommer 2003 eingesetzten Allparteienregierung einen der vier Vizepräsidenten aus den wichtigsten politischen Lagern des Landes, die an der Seite von Kabila den Kongo bis zu freien Wahlen 2005 regieren sollen.
Politischen Streit in der Hauptstadt Kinshasa mit dem Ergebnis des zeitweiligen Rückzugs der einen oder anderen Fraktion aus der Regierung hat es mehrfach gegeben. Aber die Zuname erneuter Gefechte im Osten des Landes hat den Friedensprozess in den letzten Monaten noch stärker belastet. Acht hochrangige RCD-Parlamentarier suspendierten bereits im Juni ihre Mitarbeit im Übergangsparlament. Vollends untragbar wurde die Mitarbeit in den Übergangsinstitutionen für die RCD-Führung mit dem Massaker an 163 kongolesischen Banyamulenge-Flüchtlingen in Burundi am 14. August, an dem Soldaten der kongolesischen Regierungsarmee beteiligt gewesen sein sollen. Schon bei der Beisetzung der Massakeropfer hatte Ruberwa, selbst ein Angehöriger der Banyamulenge, deswegen ein „Innehalten“ im Friedensprozess gefordert. Seitdem hält er sich in der einstigen RCD-Hauptstadt Goma auf.
In Kinshasa wurde Ruberwas Schritt scharf kritisiert. „Zur Krönung seines Verrats schmeißt Ruberwa hin“, schlagzeilte gestern die Kabila-treue Boulevardzeitung L’Avenir und fügte hinzu: „Jetzt müssen die notwendigen militärischen Maßnahmen ergriffen werden, denn im Prinzip beginnt an diesem Dienstag der Krieg.“ Selbst Le Potentiel, die seriöseste Zeitung der Hauptstadt, kritisierte Ruberwas „unilateralen“ Schritt und forderte eine „Mobilmachung, um das Vaterland zu verteidigen“. Nicht alle RCD-Politiker sind mit ihrem Chef einverstanden. Emile Ilunga, Vizepräsident des Senats, nannte Ruberwas Entscheidung „unakzeptabel“ und rief alle Parteifreunde dazu auf, ihre Ämter nicht niederzulegen. RCD-Vizegeneralsekretär Crispin Kabasele Tshimanga versuchte einen Mittelweg: „Die RCD zieht sich nicht aus den Institutionen zurück. Sie dekretiert eher eine Art Generalstreik.“ Dieser würde wieder aufhören, sobald neue politische Verhandlungen beginnen.
Ob es zu solchen Verhandlungen kommt, also zu einer Neuauflage des „innerkongolesischen Dialogs“ von 2001 bis 2003 zwischen den damaligen Kriegsparteien, ist nun die entscheidende Frage. Südafrika hat sich auf Wunsch der RCD bereit erklärt, zwischen den Rebellen und dem Kabila-Lager zu vermitteln. Hohe RCD-Politiker halten sich bereits in Südafrika auf. Eine Einladung dorthin zu Sondierungsgesprächen lehnte das Kabila-Lager jedoch ab. Am kommenden Montag soll Südafrikas Präsident Thabo Mbeki in Kinshasa eintreffen, um den Friedensprozess zu retten.DOMINIC JOHNSON