Am Schalthebel

Devot verneigte sich der neue EU-Innenkommissar Rocco Buttiglione vor seinem bisherigen Chef: „Bloß der Großzügigkeit Silvio Berlusconis“ verdanke er seine Berufung nach Brüssel.

In der Tat fragten sich viele, wieso Ministerpräsident Berlusconi ein europäisches Schwergewicht wie Wettbewerbskommissar Mario Monti einfach abservierte, um in der EU-Kommission Platz für einen Minister zu schaffen, der als Beruf am liebsten „Philosoph“ angibt. In Buttigliones europapolitischen Kompetenzen kann diese Entscheidung kaum begründet sein: Mit denen ist der meist treuherzig dreinblickende Denker nämlich auch in gut dreijähriger Amtszeit als Minister für EU-Angelegenheiten nicht aufgefallen. So fiel dem strammen Katholiken und Papstvertrauten zur EU-Verfassung bloß ein, dass dieser leider die Erwähnung der christlichen Wurzeln fehle.

In nur zehn Jahren hat der 58-jährige Christdemokrat eine Blitzkarriere hingelegt – was er nicht nur Berlusconi verdankt, sondern auch seiner Fähigkeit, schnell Positionen zu wechseln. 1994 stürzte er zusammen mit der Linken die erste Regierung Berlusconi – diente sich diesem aber schon ein Jahr später als Bündnispartner an und spaltete nebenher die von ihm geführte Volkspartei. Nun Chef einer Minipartei namens CDU – das Vorbild Kohl lässt grüßen – paktierte er 1998 wieder mit der damals regierenden Linken, optierte dann aber 2001 doch erneut für eine Allianz mit Berlusconi.

Schon wenige Tage nach seiner Nominierung als EU-Kommissar für „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ erregte Buttiglione mit einem radikalen Vorschlag zur Immigration Aufsehen. In Zukunft sollten nicht nur politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen werden, es könnte auch ein „Asylrecht aus wirtschaftlichen Gründen“ geben. Diese Möglichkeit müsse angesichts der Armut in Afrika oder im Fall von Naturkatastrophen in der Dritten Welt geprüft werden.

Zugleich aber freute sich Buttiglione über den gar nicht aufnahmeorientierten Vorschlag des deutschen Innenministers Schily, potenzielle Immigranten auf dem Weg nach Europa in Nordafrika abzufangen. Dort könne man „Schalter für die Einwanderung nach Europa“ einrichten und zugleich „Unruhestifter abschrecken“.

In Rom brachte Buttigliones Vorschlag zwar die Koalitionspartner von der Lega Nord, die auf Flüchtlingsboote am liebsten schießen würden, in Wallung. Niemand aber glaubt an wirkliche Konsequenzen, schließlich hat der Neukommissar bisher schon das Kunststück fertig gebracht, in seiner politischen Karriere keine Spuren zu hinterlassen. MICHAEL BRAUN