: Showdown im Schuldreieck
Streit in der Schülerkammer nach Stellungnahme zur Primarschule. Reformkritiker fordern mehr Basisdemokratie und initiieren Schulsprechertreffen. Doch auch da gingen Meinungen auseinander
VON KAIJA KUTTER
Die Schulreform politisiert die Jugend. Am Donnerstagabend trafen sich rund 50 Schulsprecher im Oberstufenhaus des Eimsbüttler Schuldreiecks an der Bogenstraße. Eingeladen hatte eine Gruppe von Unzufriedenen aus der SchülerInnenkammer (SKH), die bei einer Abstimmung zur Schulreform unterlegen war.
Den neunköpfigen Kammervorstand stürzte dieses Vorgehen in Verzweiflung. Waren doch sechs von ihnen zu dieser Zeit nicht mehr in Hamburg, sondern auf dem Flug nach Südafrika. So konnten der Vorsitzende Frederik Ruprecht und sein Vize Daniel Völkoi nicht beim Treffen mit der Basis dabei sein, um Vorwürfe zu entkräften. In einer Mail hatte Völkoi deshalb zum Boykott aufgerufen. Seit Tagen kommunizierten Teile der Kammer über Pressemitteilungen.
Doch der Abend im Schuldreieck verlief sehr differenziert. „Wir wollen mehr Basisdemokratie“, hatte Initiator Jan Philip Unger eingangs erklärt und noch einmal den Ablauf der Abstimmung geschildert. In der Kammer habe man sich einfach nicht auf eine Position einigen können. Am Abend des 25. Februar sei nach sechsstündiger Sitzung abgestimmt worden, obwohl die meisten müde waren und nach Hause wollten. So fand sich eine Mehrheit von 13 Stimmen für ein Papier, dass die sechsjährige Primarschule als richtigen Schritt begrüßt und die Schule für alle als Ziel ausweist. Fünf, die sich „freie Gruppe“ nennen, stimmten dagegen, vier enthielten sich.
Die Kammer habe einen „relativ niedrigen Legitimationsgrad“ und könne nicht für alle 180.000 Schüler sprechen, „weil da eh nur die Engagierten drin sind“, sagte Ungers Mitstreiter Carlo van Tienhoven. Doch es gab vor der Abstimmung zwei Schülerforen zum Thema und Anhörungen mit Experten. Die Kammer sei nun mal das „demokratisch gewählte Gremium“, hielt Konstantin Timm dagegen, der für den SKH-Vorstand die Stellung hielt und den Konflikt entschärfte, als er sich im Namen des Vorstands für die Boykott-Mail entschuldigte. „Das war eine Kurzschlussreaktion. Wir wollen dieses Forum unterstützen.“
Die Diskussion unter den 50 Schulsprechern zeigte, dass es Bedarf für Austausch gibt und die Meinungen bunt durcheinander gehen. Ein Schulsprecher aus einem sozialen Brennpunkt klagte über unfähige Lehrer und Drogenprobleme auf Schultoiletten. Andere, überwiegend von Gymnasien, wiederholten die einschlägigen Argumente gegen die Reform. Staatlichen Schulen würden durch ein Einheitsschulsystem entwertet und die Privatschulen expandieren.
Doch die Frage eines Schulsprechers aus Rahlstedt, warum man denn nicht die Einheitsschule einführen und die Privatschulen abschaffe, wurde von Tienhoven abgebügelt: „Darüber wollen wir nicht diskutieren.“
Der freien Gruppe war zum Schluss wichtig, eine Erklärung zu verabschieden, in der sich ihre Thesen wieder finden. Auch das ging nicht reibungslos. Die Idee einer Umfrage zur Schulreform unter allen Schülern etwa, fand Zustimmung. Dass die Reform zu schnell kommt und Lehrer mehr Fortbildung brauchen, auch. Dass es wichtiger sei, sich um Inhalte statt um Strukturen zu kümmern, aber schon nicht mehr.
Trotzdem gab es am nächsten Tag wieder zwei Pressemitteilungen. Das Schülerforum sei ein „voller Erfolg“ und habe klare Kritik an den Plänen des Senats hervorgebracht, schrieben Unger und van Tienhoven. Und Rupprecht und Völkoi kabelten aus Südafrika, sie begrüßten das politische Engagement aller Schüler, wären nur gern beim Meinungsaustausch dabei.