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Archiv-Artikel

Das MARTa muss warten

Die Eröffnung des neuen Kunst- und Design-Museums verzögert sich. Ein Frank O. Gehry-Bau braucht seine Zeit

Die Helden halten in Herford keinen triumphalen Einzug. Die für November geplante Eröffnung des Museums für Art und Ambiente (MARTa) ist auf den kommenden Frühling verschoben worden. „Der Termin lässt sich leider nicht halten“, bestätigte Bürgermeister Thomas Gabriel vorgestern. Gemeinsam mit dem Bauleiter, den Handwerkern und Vertretern des amerikanischen Stararchitekten Frank O. Gehry habe man die Entscheidung am Wochenende gefällt.

Jeder Bau von Gehry ist ein Unikat, selbst ein Kunstwerk. Die Arbeiten sind dem entsprechend kompliziert, auch die bereits eingeplanten zwei Monate als Pufferzeit reichten nicht aus. „Wir hätten uns vielleicht doch mehr Zeit nehmen sollen“, sagt Museumssprecherin Claudia Herstatt angesichts der technischen Probleme. Jan Hoet, der belgische Museumsdirektor des MARTa, bleibt locker: „Einen neuen Termin haben wir noch nicht, Februar oder März ist realistisch“. Der Leiter der documenta 9 in Kassel wollte zur Eröffnung dicke Brocken in dem jungfräulichen Architektur-Highlight ausstellen. Schlicht „Helden“ sollte die Ausstellung heißen, Zusatz: „my private“. Über 50 Weltstars des Kunstmarktes hatte Hoet für seine Heroenschau auserwählt, auf der Exponaten-Liste standen neben Anselm Kiefers Hermannsschlacht, Matthey Barneys Leidende wie selbstverständlich auch Erste-Wahl-Waren von Beuys bis Warhol oder Design- und Mode-Helden wie Jean Paul Gaultier. Hoets Haus-Museum S.M.A.K. in Gent bildet dafür einen soliden Grundstock – viele der Superstars sind Weggefährten des 67-Jährigen – doch ein Großteil der Arbeiten hätten Leihgaben sein müssen. „Mindestens zehn Prozent werden wir im nächsten Jahr nicht bekommen“, ist sich Hoet sicher. Erst sechs Leihgeber hätten prompt eine erneute Zusage gegeben. „Das ist natürlich zu wenig“, lacht er, obwohl er noch weltweit über 100 Telefonate führen muss.

„Multiple Persönlichkeiten“ nennt Frank O. Gehry seine Bauten, die sich jeder konventionellen Bauweise widersetzen, dem einen zu verspielt, den Anderen zu gestenreich vorkommen. Aber jeder, der einen Gehry kennt, wird den zweiten zweifelsfrei erkennen können. Der Baukomplex auf dem 8.000 Quadratmeter großen Grundstück nahe am Herforder Bahnhof besteht aus vier Teilgebäuden mit Vorplatz. Das enfant terrible der Architektenszene hat für die Gestaltung seines Stahlbetonbaus mit Edelstahl-Dach bewusst regionaltypisches Material benutzt: rotbraunen Klinker und schneeweißen Fassadenputz. Seine Formensprache im Innern orientiert sich an natürlich bewegten, vielfach in sich gekrümmten und geschachtelten Modellen, die mit modernster Computer-Software entwickelt wurden. Im Gegensatz zum stereotypen White Cube haben Gehrys Räume nahezu skulpturalen Charakter.

Für die Stadt Herford und die umliegende Region hat das Museum, an dem seit April 2001 gebaut wird, mit seinem Schwerpunkt auf angewandtes Objekt- und Mode-Design einen besonderen Stellenwert. Hier befinden sich die Sitze wichtiger und weltweit bekannter Möbelfabriken und Textilhersteller. Im Museum sollen in Zukunft künstlerische Prozesse auf ihre Erweiterungen in alltäglichen und kommerziellen Kontexten untersucht werden. Mit dem kühnen Museumsneubau in mageren Zeiten stellt sich das MARTa in Ostwestfalen auch in eine Opposition zu der im Ruhrgebiet grassierenden Industriekultur-Hysterie, bei der die aufwändige Restaurierung technischer Bauruinen zeitgenössischer Architektur vorgezogen wird. PETER ORTMANN