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Archiv-Artikel

Der Besen und die Peitsche

Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weltweit ein Problem. In allen Kulturen und Schichten werden Alltagsgegenstände zur Waffe. Das zeigt eine kleine Ausstellung im Foyer des Polizeipräsidiums

von HANNAH BRÖCKERS

Es waren nur Sekunden, die Majeda von einer schönen jungen Frau zu einem für immer entstellten Menschen machten. Das indische Mädchen wurde von ihrer Familie wegen eines Streits mit Säure übergossen. Diese besonders schwere Form der Gewalt gegen Frauen gibt es seit Mitte der 90er-Jahre vermehrt in Bangladesch und Nordindien. Mitglieder der Familie oder abgewiesene Verehrer überschütten die häufig noch Minderjährigen. Warum genau Majeda ein Säureopfer wurde, ist unklar. Aber das Schicksal der 17-Jährigen ist jetzt als ein Beispiel von vielen in der Ausstellung „Die Dinge beim Namen nennen – Gewalt gegen Frauen im Alltag“ dokumentiert.

Zusammengetragen haben die „Dinge“ 40 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Ländern, die sich in der Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen engagieren. In der kleinen Ausstellung im Foyer des Polizeipräsidiums liegen Alltagsgegenstände in Vitrinen. Ein Schlüsselanhänger, ein Telefon, ein Gürtel, die auf den ersten Blick nicht bedrohlich wirken. Der Schrecken kommt erst beim zweiten Hinsehen. Das ist das Konzept der Ausstellung. Denn diese Gegenstände, so erfährt man aus den beigefügten Texten, wurden zu Gewaltinstrumenten.

In einer Vitrine liegt ein Reisigbüschel, ein zerbrochener traditioneller afrikanischer Besen. „Es ist traurig, dass der Gegenstand, den ich zum Wohle meiner Familie benutze, gegen mich verwendet wird“, lautet daneben das Zitat von Djanabou Mahonde aus Sierra Leone. Wenige Meter weiter steht: „Eine Frau und ein Esel bewegen sich nur unter Schlägen“. Eine äthiopische Redensart – sie hängt über einer Peitsche. Mehr erfährt man nicht.

„Ziel der Ausstellung“, erklärt Patricia Schneider, sei es, „die Menschen zum Handeln zu motivieren und nicht mehr nur wegzusehen.“ Schneider ist Mitarbeiterin des BIG e. V., dessen Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt die Ausstellung zusammen mit der Polizei und der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) erarbeitet hat. „Häusliche Gewalt darf nicht als Familienstreit verharmlost werden“, betont Kriminaloberrätin Elke Plathe. Allein in Berlin seien im vergangenen Jahr 7.500 Fälle häuslicher Gewalt gemeldet worden. Fast 3.500 mehr als 2001. Dahinter stecke kein dramatischer Anstieg der Gewalt, sondern ein neues Konzept der Polizei. Dank neuer Leitlinien und professionellen Trainings sind die Beamten sensibler für häusliche Gewalt. Zudem haben sie seit Februar das Recht, gewalttätigen Männern für 14 Tage den Zugang zur eigenen Wohnung zu verbieten. Das erhöht die Bereitschaft der betroffenen Frauen, Anzeige zu erstatten.

Für Franziska Donner von der GTZ ist häusliche Gewalt ein „globales Thema“, ein Erfahrungsaustausch sei notwendig. Weltweit sind 20 bis 50 Prozent aller Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Sie ist in allen Kulturen und Bevölkerungsschichten weit verbreitet. Oft ohne Folgen für die Täter. So auch bei Majeda. Zwar zahlte ein Geschäftsmann eine Augenoperation. Die junge Inderin kann nun wieder zu 20 Prozent sehen. Aber um zu überleben, musste sie in ihr Dorf zurückkehren, wo man sie so entstellt hat.