: Grüner Tanz für Perspektiven
Der zeitgenössische Tanz gehört in Berlin dank Festivals und Sasha Waltz zum „Best of art“. Dennoch mangelt es ihm an guten Arbeits- und Produktionsstätten. Ein Tanzhaus muss her, fordern die Grünen
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Es ist wie bei einem nicht funktionierenden Pas des deux. Auf der einen Seite leisten der Tanz und das moderne Tanztheater einen wichtigen Beitrag zur Kultur und dem kulturellen Renommee der Stadt. Die Festivals „Tanz im August“ und die „Tanztage“, die Choreografien an der Schaubühne von Sasha Waltz, die der Tanzfabrik und anderer Gruppen sind Beispiele für die Internationalität und die Bedeutung dieser Kunstform. Auf der anderen Seite fehlt es in Berlin noch immer an ausreichenden Aufführungs- und Produktionsstätten, einem Tanzhaus oder klaren Ausbildungswegen – und an ausreichender Finanzierung für Projekte, wie sie andere Tanzmetropolen leisten.
Die nötige „Synchronisierung“ von Anspruch und Wirklichkeit beim Tanz hat gestern darum die Fraktion der Grünen gefordert. Weil die Rahmenbedingungen für die Tänzer sich verschlechterten und auch in der vor einer Woche vorgestellten „Berliner Agenda 21 für die Kultur“ von Kultursenator Thomas Flierl (PDS) die Perspektiven sowohl für den zeitgenössischen als auch den klassischen Tanz „nicht ausreichend entwickelt werden“, plädieren die Grünen jetzt für die „notwendige Verbesserung der Arbeitsbedingungen für den Tanz sowie für neue Produktions- und Spielorte“.
Die Fakten, die Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin, gestern auftischte, zeichneten eine dramatische Lage. So habe sich die Hoffnung, aus dem Podewil ein Tanzhaus entstehen zu lassen, zerschlagen. Der Veranstaltungsort werde unter seiner neuen Leitung zu einem Raum für viele Kunstsparten und Institutionen. Auch das Hebbel am Ufer (HAU) könne den Tanz nicht auffangen, so Ströver.
Weitere Defizite seien mit der Auflösung des Ballettensembles der Komischen Oper, dem Fehlen eines Konzepts für die 88 Tänzer der Opernhäuser und anderer Kompanien entstanden. Ströver forderte darum „ein gemeinsames Haus für alle Tanzsparten in Berlin“ analog dem Pariser Beispiel eines kürzlich eröffneten Tanzhauses. An einer Berliner Kunsthochschule müsse ein eigener Studiengang Tanz eingerichtet werden. Zugleich sollten jüngere Choreografen in Berlin gehalten werden. Ströver: „Wenn die zeitgenössische Tanzszene nicht besser als bisher unterstützt wird, drohen provinzielle Zustände und ein Abdriften in die Mittelmäßigkeit.“
Die kulturpolitische Sprecherin machte gleichzeitig darauf aufmerksam, dass etwa die leer stehenden Gewerbehallen von Rotaprint (Wedding) sich „vorzüglich“ für eine kulturelle Nutzung eignen würden. Außerdem müsse geprüft werden, ob ungenutzte Schulsporthallen für den Tanz brauchbar seien.
Flierls Konzept sieht dagegen keinen konkreten Vorschlag für ein Tanzhaus vor. Ein allein „auf den zeitgenössischen Tanz orientiertes Haus trägt nicht“, so der Kultursenator. Hingegen bilde die jährliche Tanzförderung von einer Million Euro aus dem Topf des Hauptstadtkulturfonds eine „Stärkung“ der Festivals und der Kompanien.
Die Grünen sehen das freilich anders. Die „freundliche Finanzierung“ von Einzelprojekten aus dem Hauptstadtkulturfonds, so Ströver, könne ein nötiges Gesamtkonzept von Ausbildung, Produktion und Förderung nicht ersetzen. Flierl müsse, wolle er nicht hinter die Konzepte seines Vorvorgängers Peter Radunski (CDU) zurückfallen, ein „zukunftsweisendes Gesamtkonzept“ erarbeiten.
Die Grünen forderten schließlich vom Senat auch Auskunft über die Verwendung eines Nachlassvermögens der früheren Berliner Primaballerina und Königlichen Hoftänzerin Antonietta Marsop geb. Dell’Era in Höhe von 1,2 Millionen Euro, das in einer eigenen Stiftung Tänzern zugute kommen soll.