: Bundeswehrsoldaten als Aufpasser
Institut fordert „Berichtspflicht“ bei Menschenrechtsverstößen auf Auslandseinsätzen. Auch Grüne wollen „partnerschaftliches Wegsehen“ nicht mehr dulden und den Vorschlag schon bei der Verlängerung des Afghanistan-Mandats im Oktober umsetzen
VON LUKAS WALLRAFF
Es klingt wie eine pure Selbstverständlichkeit. Ein Soldat, der Menschenrechtsverletzungen bemerkt, darf nicht tatenlos zusehen oder einfach wegschauen. Das Mindeste, wozu ein Soldat verpflichtet ist, wenn die Behandlung von Zivilisten oder Gefangenen gegen internationales Menschenrecht verstößt, ist: Meldung machen. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung, die bestraft wird. Oder? Nun ja.
Weil im so genannten Kampf gegen den Terror fast nichts mehr selbstverständlich scheint, hat sich das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) gestern zu Wort gemeldet und erneut eine „Berichtspflicht“ für Bundeswehrangehörige bei Menschenrechtsverletzungen gefordert. Diese solle in künftige Bundestagsmandate für Auslandseinsätze aufgenommen werden, verlangt das vor drei Jahren gegründete, staatlich finanzierte Institut. Die Experten erhoffen sich von einer solchen Vorgabe, dass Verstöße gegen internationale Schutzvorschriften künftig eher ans Licht kommen. „Dazu wäre ein ausdrücklicher politischer Auftrag hilfreich“, sagte der zuständige DIM-Mitarbeiter Wolfgang Heinz der taz. Klingt einfach, ist jedoch komplizierter, weil politisch brisant.
Im Klartext bedeutet die Forderung der Menschenrechtler schließlich, dass die Soldaten der deutschen Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen eine Aufpasserrolle übernehmen sollen. Und zwar nicht nur gegenüber den eigenen Kameraden, sondern auch – und hier wird es außenpolitisch heikel – gegenüber den Streitkräften der im Antiterrorkampf alliierten Länder, wie die USA und Großbritannien. Darf man denen auf die Finger klopfen, darf man sie gar denunzieren? Man muss, findet der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei. „Wenn die Menschenrechte wirklich den Stellenwert haben, wie er immer proklamiert wird, ist damit ein ‚partnerschaftliches Wegsehen‘ bei multinationalen Einsätzen unvereinbar.“ Die Forderung des DIM hält der Grünen-Politiker deshalb für „ausgesprochen gut und angebracht“. Gegenüber der taz sprach sich Nachtwei dafür aus, die Berichtspflicht schon bei der Verlängerung des Bundestagsmandats für den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr im Oktober einzuführen. Fragt sich nur, warum erst jetzt? Nachtwei räumt ein: „Es ist richtig, das hätte schon früher auf die Tagesordnung kommen können und sollen.“
Der Sprecher von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte auf den Hinweis einer Journalistin, dass das Institut für Menschenrechte schon vor einem Jahr eine Berichtspflicht vorgeschlagen hatte: „Da sind Sie mir voraus im Kenntnisstand.“ Nun aber habe man „diese Anregung aufgenommen“ und werde sie zügig prüfen. „Seien Sie gewiss“, versicherte Strucks Sprecher, „wir sind da am Ball.“