: Vom urbanen Dschungel zur multikulturellen Insel
Der Kölnberg in Meschenich ist längst nicht mehr das gefährliche Pflaster, für das ihn die Kölner halten. Die Kriminalität ist in dem Hochhausviertel niedriger als in anderen Teilen Kölns. Möglich gemacht hat dies ein Sanierungskonzept, das auf Kriminalitätsbekämpfung und Sozialarbeit setzt
Von Tobias Haucke
Vom südlichen Stadtrand Kölns gesehen ist der Kölnberg nur eine graue Silhouette am Horizont. Seltsam verloren stehen die Hochhausblöcke mit den vielen Fenstern in der grünen Kölner Bucht. Trotz seines urbanen Charakters wirkt der Wohnkomplex kaum wie ein Kölner Viertel. Schließlich liegen zehn Kilometer Wald und Wiesen zwischen dem Satelliten im Stadtteil Meschenich und der Mutterstadt.
Der Inselcharakter der Siedlung ist aber nicht nur geografisch bedingt. Viel mehr tragen die Vorurteile der Kölner gegenüber der Hochhaussiedlung dazu bei, dass es „wenig Kontakte zwischen Bewohnern des Kölnbergs und anderen Stadtteilen gibt“, sagt Birgit Thielen, die hier mehrere soziale Projekte der Caritas leitet. Seit jeher gilt der Kölnberg den Kölnern als Synonym für Kriminalität, Müll und soziales Elend.
Wer einmal in den als Kölnberg bekannten Teil von Meschenich fährt, wird seine Vorurteile schnell revidieren. Die Gehwege zwischen den Hauseingängen mit den vielen Klingelschildern sind weder vermüllt, noch muss man um seine Geldbörse bangen. Stattdessen multikulturelles Flair: Männer mit ergrauten Bärten diskutieren in der Mittagssonne auf Parkbänken, Kinder radeln schlingernd über die Straßen und Jungs bolzen auf den zahlreichen Fußballplätzen.
„Irgendwen trifft man immer, mit dem man sich gerne unterhält“, sagt die 18-jährige Ümran. Das dunkelhaarige Mädchen mit der Baseballkappe ist vor vier Jahren vom Kölnberg ins angrenzende Alt-Meschenich gezogen. Trotzdem kommt sie noch regelmäßig her. Sie schätzt den nachbarschaftlichen Zusammenhalt zwischen den Menschen aus 60 Nationen, die hier leben.
Dass Ümran sich hier mit ihren Freunden so ungezwungen bewegen kann, hat der Kölnberg vor allem einem Mann zu verdanken. Als Willi Hillebrand und seine Truppe von der SHV Immobilienverwaltungs GmbH 1988 die Verwaltung des Wohnkomplexes übernahmen, war die Kriminalitätsrate hier vier mal so hoch wie im übrigen Köln. Die Häuser waren verfallen, viele Aufzüge in den teils 26-stöckigen Gebäuden funktionierten nicht, Graffiti überzogen die Betonwände. Das Viertel war so verrufen, dass Taxifahrer sich weigerten, den Kölnberg anzufahren, die Post keine Briefe mehr zustellte und kein Arzt sich hier niederlassen mochte.
Hillebrand setzte sich mit Eigentümern, Mietern, der Gemeinde und der Polizei zusammen und erarbeitete ein Konzept zur Sanierung des Kölnbergs. „Schlimmer konnte es ja nicht werden“, sagt der 66-Jährige mit den silbergrauen Haaren heute mit einem verschmitzten Lächeln. Es wurden Aufzüge repariert, Müll beseitigt und Hausmeister eingestellt. Gegen Vandalismus ging Hillebrand mit Pfiff vor: Er engagierte Jugendliche vom Kölnberg, die die Graffiti ihrer Freunde überstrichen. Die mussten zwar mehrmals täglich an denselben Wänden ran, doch irgendwann kapitulierten auch die hartnäckigsten Sprayer vor der Kurzlebigkeit ihrer Bilder. Außerdem schaffte es Hillebrand, die Kriminalitätsrate deutlich zu senken – unter anderem mit Hilfe von 80 Überwachungskameras. Seit 1990 liegt die Kriminalitätsrate auf dem Kölnberg unter der aller anderen Kölner Viertel.
Dabei hatte der Kölnberg von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden. Konzipiert wurde der Komplex Anfang der 80er Jahre als „Wohnanlage im Grünen“ für private Investoren; wohlhabende Städter sollten in einen Zweitwohnsitz investieren. Die betonlastige Architektur der 70er konnte indes kaum Käufer überzeugen – Kaufpreise und Mieten fielen. Als dann immer mehr einkommensschwache Familien den günstigen Wohnraum entdeckten, war er als Spekulationsobjekt für die Eigentümer kaum noch interessant. Sie ließen die Häuser verrotten, die Preise sanken weiter. Statt Käufern wurden Kriminelle angelockt. Das Schreckgespenst Kölnberg war geboren.
Heute ist der Kölnberg ein international beachtetes Sanierungsobjekt. Auch weil die Stadt sich seit Ende der 90er mit Jugendbezirksleiter Stephan Schmidt verstärkt engagiert. Eine Jobbörse wurde eingerichtet, weitere Sozialarbeiter eingestellt und neue Spielplätze gebaut.
Ergebnis: Der Kölnberg von heute hat in einer Studie der renommierten „London School of Economics“ gegenüber vergleichbaren Wohnanlagen in Frankreich und Großbritannien die Nase vorn. Und, so erzählt man sich hier gerne, sogar die Polizei wollte vor vier Jahren ihr Büro hier räumen. Ihre Lagebeurteilung: nix zu tun.
„Der Kölnberg ist aber immer noch eine eigene Welt“, sagt Birgit Thielen von der Caritas. Von den 4.000 Bewohnern sind 73 Prozent Migranten oder deren Nachkommen. Trotz des Miteinanders der 60 Nationen würden sich die Menschen verstärkt in den eigenen Kulturkreisen bewegen. „Was dazu führt, dass viele hier nur schlecht Deutsch sprechen“, sagt Thielen. So bieten mehrere Träger wie die Caritas Deutschunterricht an – schließlich soll es nicht am Vokabular scheitern, wenn die Kölnberger mal aus ihrem Viertel raus wollen. Doch Sprachbarrieren bilden nicht die letzte Hürde auf dem Weg nach Köln: Der 132er Bus ist die einzige Linie in die City – 25 Minuten braucht er bis zum Chlodwigplatz.